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Am Ende liegt der Anfang
Zum Herausgeberwechsel von der ND GmbH zur nd-Genossenschaft
Die Aufregung war groß im Februar dieses Jahres. Medien berichteten, dass - wahlweise - »Neues Deutschland«, »neues deutschland« oder »nd« zum Jahresende vor dem Aus steht. Mitarbeiter*innen protestierten vor dem Bundesparteitag der Partei Die Linke und erklärten: »›nd‹ bleibt.« Wenige Tage zuvor hatte ich als Geschäftsführer der ND Druckerei und Verlag GmbH vor der Belegschaft die Absicht erläutert, die Tätigkeit des Unternehmens zum 31. Dezember 2021 einzustellen.
Dafür gab und gibt es gute Gründe. Sie zu verstehen, erfordert einen Blick in die Geschichte der Entstehung und Entwicklung von Zeitung und Unternehmen in 75 Jahren.
Nur zwei Tage nach der Gründung der SED erschien am 23. April 1946 »Neues Deutschland« als Zentralorgan dieser Partei erstmalig in der unter anderem von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl gegründeten ND GmbH. In ihrem Geleit erklärten die beiden Vorsitzenden dieses zentrale Organ zum lebendigen Glied zwischen Parteiführung, Parteimitgliedern und Bevölkerung. Zu diesem Zeitpunkt war die spätere Funktion der Zeitung noch nicht absehbar.
Mit der Entwicklung der DDR und ihrer wirtschaftlichen Strukturen wurde aus der GmbH nahtlos ein Organisationseigener Betrieb (OEB), eingetragen im Handelsregister der DDR-Wirtschaft und so formal auch ein Teil der Volkswirtschaft. Die Zeitung selbst mutierte vom Zentralorgan einer ganzen Partei zu dem ihres Zentralkomitees. Der frühe Werbeslogan »ND gelesen - dabei gewesen« bekam unter diesen Bedingungen einen völlig neuen Inhalt.
Als sich im Frühjahr 1990 die DDR-Wirtschaft in Auflösung befand und mit dem Treuhandgesetz ihre Umwandlung in Kapitalgesellschaften beschlossen war, stand auch vor dem OEB das Erfordernis einer solchen. Was lag näher, als auf die 1946 gegründete GmbH zurückzugreifen? So erschien »Neues Deutschland« ab 2. Juli 1990 wieder in einer ND GmbH.
Zu diesem Zeitpunkt hatten Redaktion und Verlag bereits einen tiefgreifenden Wandlungsprozess zur »unabhängigen sozialistischen Tageszeitung« vollzogen. So wie die sie tragende Partei, in deren Namen sie seit dem Sonderparteitag als Zeitung der Partei des demokratischen Sozialismus erschien. Unabhängigkeit hieß dabei zunächst redaktionelle Unabhängigkeit. Mit der GmbH wurde auch der offizielle Abschied von der Zeitung einer Partei vollzogen. Allein gesellschaftsrechtlich blieb sie mit dieser verbunden
Allerdings hatten zu diesem Zeitpunkt bereits viele Leser*innen mit ihrem Parteibuch auch ihr Abo abgegeben. Die, die blieben, wollten der Zeitung auch unter zum zweiten Mal gebrochenen Verhältnissen ihres Erscheinens eine Chance geben. Die Zahl derer wird heute altersbedingt immer kleiner. Wie die jener, die diesen Übergang gestalteten.
So trat »Neues Deutschland« 1990 - mehr als beargwöhnt und weiterhin, bis heute, mit dem Stigma »ehemaliges Zentralorgan« belegt - auf den bundesdeutschen Pressemarkt, in sein zweites Leben. Die Stimme der Linken (Ost) sollte im neuen Deutschland nicht verstummen.
In den letzten 30 Jahren, insbesondere in den letzten zehn, hat sich die Zeitung in Inhalt, Layout und Namen stetig verändert. Sie erscheint in vielfältiger Form gedruckt oder digital. In Text, Bild, Video oder Audio. Die Belegschaft ist jünger und diverser in ihrer Herkunft geworden.
Gleichzeitig veränderten und verändern sich nicht nur die Produktions-, Verkaufs- und Rezeptionsbedingungen von Medien, insbesondere überregionaler Zeitungen, seit Jahren rasant, sondern auch das Verständnis von unabhängiger Presse und linker Selbstorganisation. Damit ist auch »nd« konfrontiert, das dabei gleich mehrere Herausforderungen bewältigen muss. Dazu gehört auch der Brückenschlag von der langjährigen Leser*innenschaft mit ihren Lebenserfahrungen zu den potenziellen Leser*innen, die heute Teil einer breiten, diversen und in großen Teilen parteiungebundenen Linken sind.
Geschäftsführung und Gesellschafter haben diese Entwicklung immer wieder analysiert. Letztlich sind sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die bisherige gesellschaftsrechtliche Verfasstheit als GmbH nicht mehr den Anforderungen entspricht, vor denen eine unabhängige linke Zeitung für den bundesweiten Markt steht. Deshalb haben sie sich für die Einstellung des Geschäftsbetriebs der ND GmbH, deren Existenz auf ihre Gründungspartei zurückgeht, entschieden.
Nunmehr haben Mitarbeiter*innen aus Redaktion und Verlag am 14. August eine Genossenschaft gegründet, die ab 1. Januar 2022 das »nd« mit seinen vielfältigen Publikationen herausgeben wird. Diese will und wird Sie wie bisher mit dem unabhängigen Journalismus des »nd« beliefern. Sie wird jedoch mehr sein: Sie wird das gemeinsame Unternehmen derer sein, die »nd« produzieren und die »nd« lesen.
Damit die linke journalistische Stimme auch im dritten Leben nicht verstummt, braucht sie weiterhin Ihre Solidarität als Abonnent*innen und - so Sie es wollen - künftig auch als Teil einer Genossenschaft. Ich bitte Sie deshalb: Bleiben Sie Ihrer Zeitung weiterhin verbunden und setzen Sie Ihr Abonnement mit der Genossenschaft fort.
Dr. Matthias Schindler ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Neues Deutschland Druckerei und Verlag GmbH
Hier erhalten Sie Infos zum Thema Genossenschaft:
Besuchen Sie unsere Webseite: nd-genossenschaft.de. Sie können uns auch eine Nachricht an genossenschaft@nd-online.de oder nd-Genossenschaft, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin schicken und erhalten dann Satzung und Beitrittserklärung.
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