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Kurzarbeit statt Kündigung

Stammbelegschaften wurden in der Coronakrise gehalten, prekär Beschäftigte gingen leer aus

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Corona-Pandemie hat rund zwei Drittel aller Berliner Betriebe negativ betroffen. Das zeigt die am Mittwoch veröffentlichte Studie »Betriebspanel Berlin 2020« des Instituts für Sozialökonomische Strukturanalysen (Söstra) im Auftrag der Senatsverwaltung für Arbeit. Es sei unter diesen Umständen zu begrüßen, dass nur 12 Prozent der Unternehmen auf betriebsbedingte Kündigungen zur Bewältigung der Krise reagiert haben, sagt Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) bei der Vorstellung der Studie. »Es gibt deutliche Bemühungen der Unternehmen, ihre Fachkräfte zu halten. Das Thema Fachkräftesicherung ist also weiterhin aktuell«, so Breitenbach. Statt Kündigungen seien Kurzarbeit und der Abbau von Überstunden die Mittel der Wahl gewesen.

Die Beschäftigungssituation hat im Jahr 2020 trotzdem gelitten. Die Stammbelegschaft sei zwar überwiegend bei den Unternehmen gehalten worden, aber Neueinstellungen habe es wenige gegeben, erklärt Marek Frei von Söstra. Die Studie zeigt, dass 31 Prozent der befragten Betriebe geplante Personalaufstockungen zurückgestellt und 22 Prozent freie Stellen nicht besetzt haben. »Vor diesem Hintergrund waren also diese internen Betriebsmärkte zur Zeit der Corona-Pandemie relativ geschlossen, da die Betriebe auf Kündigungen verzichtet, aber gleichwohl ihre Einstellungen resolut zurückgefahren haben«, sagt Frei.

Leidtragende der Pandemie sind die sogenannten atypisch, also prekär Beschäftigten. Zu dieser Gruppe zählen Teilzeit-, geringfügig und befristet Beschäftigte. Der Anteil dieser Beschäftigungsverhältnisse am Arbeitsmarkt ist seit 2019 überall gesunken, wie die Söstra-Studie zeigt.

Vor allem der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse ist von 12 Prozent im Jahr 2019 auf 8 Prozent im Jahr 2020 stark gesunken. Solche Arbeitsverhältnisse seien oft ausgelaufen und Angestellte dementsprechend nicht weiterbeschäftigt worden. »Die Coronakrise hat jene Branchen überdurchschnittlich stark getroffen, die gleichzeitig auch einen relativ hohen Anteil an atypisch Beschäftigten aufweisen, sprich: den Hotel- und Gaststättenbereich, Kultur und Sport«, erklärt Forscher Marek Frei. Dadurch hätten Beschäftigte ohne arbeitsrechtliche Absicherungen überproportional häufig ihre Jobs verloren.

Nun sei es zum Beispiel in der wieder hochfahrenden Hotel- und Gastronomiebranche schwierig, Fachkräfte zu finden, so Arbeitssenatorin Elke Breitenbach. »Das zeigt, dass Menschen ihren bisherigen Berufen auch den Rücken kehren, weil sie festgestellt haben, wie fragil ihre Arbeitsplatzsituation ist in den prekären Beschäftigungen«, sagt sie. Es liege in der Verantwortung des Bundes, das Teilzeit- und Befristungsgesetz zu reformieren und sachgrundlose Befristungen abzuschaffen, so die Arbeitssenatorin.

Insgesamt versprächen seit dem diesjährigen Sommer steigende Einstellungszahlen eine Aufbruchstimmung in den Betrieben, stellt Breitenbach fest. Um dem voraussichtlich wieder steigenden Bedarf an Fachkräften nachzukommen, sei es notwendig, dass mehr Berliner Betriebe ausbilden. Die entsprechenden Zahlen in Berlin liegen seit Langem unter dem Bundesdurchschnitt - nur 18 Prozent der Betriebe in der Hauptstadt bieten Ausbildungsplätze an, deutschlandweit sind es 29 Prozent. Die Arbeitsverwaltung versucht, mit unterstützenden Maßnahmen gegenzusteuern, aber es brauche den Einsatz der Betriebe, um Fachkräfte auszubilden, sagt die Senatorin.

Wie viele Betriebe allerdings die Pandemie nicht überstanden haben und in die Insolvenz gegangen sind, könne bisher noch nicht ausgewertet werden, so Breitenbach. Das werde sich erst in den kommenden Monaten zeigen.

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