Rummel und Reichweite

Seit drei Jahren kämpft die Bewegung Fridays for Future für eine konsequente Klimapolitik. Was hat sie erreicht?

  • Clara S. Thompson
  • Lesedauer: 6 Min.

An diesem Freitag ist es wieder soweit. Fridays for Future (FFF) geht auf die Straße, und zwar nicht nur in Deutschland. Nachdem es zuletzt sehr ruhig um die Bewegung geworden ist, findet nun unter dem Motto »Alle fürs Klima« der achte globale Klimastreik statt. Dazu ruft neben Fridays for Future das riesige Unterstützer*innen-Bündnis auf, von den Nichtregierungsorganisationen bis hin zu den radikaleren Teilen der Umweltbewegung. Das Narrativ der Schüler*innen hat sich seit dem Tag 1 der Bewegung kaum verändert: Die Regierungen haben beim Klimaschutz versagt, die Gesellschaft verfehlt ihr Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, und deswegen streiken die Schüler*innen. Immer noch.

Doch eine Frage drängt sich auf: Wie viele Menschen werden an der globalen Aktion teilnehmen? Und bringen die Proteste überhaupt noch etwas? Der Höhepunkt der Bewegung wurde am 20. September 2019 mit 1,3 Millionen Menschen auf den Straßen allein in Deutschland erreicht. Zum nächsten Klimastreik im November kamen nur noch 630.000 Menschen. Dann begann die Corona-Pandemie, die sämtliche Proteste stark beeinträchtigte. Was die Mobilisierungszahlen angeht, konnte sich FFF seitdem nicht erholen – zudem war bereits vor Corona zu erkennen, dass die Teilnehmer*innenzahlen sinken. Greta Thunberg, die Gründerin der Bewegung, zog zuletzt eine ernüchternde Bilanz: »Seit dem ersten Streik ist nicht viel passiert. Wir haben immer noch eine Klimakrise, die Emissionen steigen an. Die Krise steht nicht im Mittelpunkt.« Immer mehr verstärkt sich der Eindruck, dass die Fridays ihren Höhepunkt überschritten haben.

Natürlich symbolisieren nicht nur Mobilisierungszahlen den Erfolg einer Bewegung, sondern auch andere Faktoren wie politische oder diskursive Veränderungen in der Gesellschaft. Allerdings leben Schulstreiks von den Menschen, die tatsächlich zum Protest erscheinen. Die Demonstration auf der Straße am Freitag ist so etwas wie ihre »Corporate Identity.« Zu Beginn trafen sie damit einen Nerv der Zeit: Abgesehen von vereinzelten Proteste gegen das Bildungssystem gab es in Deutschland noch nie Schulstreiks in dieser Form. Dass sich junge Menschen so stark engagieren, rief nicht nur viel Überraschung, sondern auch Missgunst hervor. Erinnert sei an die Antwort von FDP-Chef Christian Lindner auf die Schulstreiks im März 2019: »Klimaschutz ist etwas für Profis.«

Solche Kritik wirkte sich nicht negativ auf FFF aus – im Gegenteil. Nicht nur Lindner fiel dieser Satz auf die Füße, auch andere Kritiker*innen der Bewegung mussten auf lange Sicht den Erfolg und die hohe Legitimation akzeptieren, die mit den Proteste der Schüler*innen einher ging. Der von vielen Medien dargestellte Generationenkonflikt war so etwas wie die Einladungskarte für die Fridays auf die Bühnen und in die Talkshows der deutschen Medienlandschaft. Beflügelt wurde die Reichweite der Bewegung durch die Unterstützung der Elterngeneration, die beispielsweise bei Parents oder Scientists for Future (Eltern bzw. Wissenschaftler für die Zukunft) aktiv ist. Und damit gewannen die Fridays eine Stimme, die ein ganzes Land mit ihrer Botschaft in den Bann zog: »Ihr verbaut uns unsere Zukunft, also streiken wir.«

Fridays for Future: In 471 Orten in Deutschland wird es am 24. September einen Klimastreik geben

Aber die plötzliche Aufmerksamkeit brachte Schattenseiten und interne Konflikte mit sich, die die meisten sozialen Bewegungen erleben. Schnell kristallisierten sich Einzelpersonen heraus, die für die Bewegung sprachen – für deutsche Bewegungen bis dato ungewöhnlich. Letztlich generierten die »Galionsfiguren« der Fridays – Luisa Neubauer, Carla Reemtsma und Co. – mehr Aufmerksamkeit als die FFF-Proteste selbst. Zum Vergleich: Während FFF Deutschland knapp 200.000 Follower auf Twitter hat, sind es bei Luisa Neubauer 300.000.

Während rhetorisch begabte Sprecher*innen natürlich viele Vorteile für die Bewegung mit sich bringen, war diese Dynamik nach FFF-intern belastend: Es begann eine heftige Diskussion über Hierarchien und über die Repräsentation der Bewegung in den Medien, die bis heute nicht vollständig aufgelöst werden konnte. Aber auch andere Konfliktfelder wie die Organisationsstrukturen, die den rasanten Zuwachs der Bewegung nicht auffangen konnten, führten zu zähen und anstrengenden Prozessen.

Doch diese Konflikte konnten nicht die dringendste Frage überdecken: Was machen wir, wenn unsere Forderungen nicht umgesetzt werden? Die Bilanz nach drei Jahren Streik lautet: eine Diskursverschiebung, Agenda-Setting, riesige gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Aber was ist mit den Maßnahmen, die tatsächlich dazu führen, dass Deutschland seinen Beitrag zur Eindämmung der Klimaerwärmung leistet? »Keine der Parteien hat einen Plan für 1,5*« schrieben die Fridays neulich auf Twitter. Die Enttäuschung darüber schlägt sich in abnehmenden Teilnehmer*innenzahlen bei Streiks und geringerer Berichterstattung nieder. Ist dies das Ende der Bewegung?

In der Bewegungsforschung ist die »Wellenförmigkeit« ein bekanntes Phänomen. Selbst für mobilisierungsstarke Bewegungen wie FFF ist es fast unmöglich, Aufmerksamkeit langfristig aufrecht zu erhalten. So ist es ganz natürlich, dass sie sich weiterentwickeln. Typischerweise enden sie in Auflösung, Institutionalisierung oder Radikalisierung. Letzteres bringt eine Weiterentwicklung der Aktionsform mit sich und entspricht der Aufmerksamkeitslogik der Medien.

Die Antworten auf die Frage, was FFF tun kann, um weiter die Aufmerksamkeit der Medien und Gesellschaft zu erhalten, sind innerhalb der Bewegung vielfältig. Zum ersten Mal scheint eine Art Spaltung erkennbar zu werden. So gehen einige, auch prominentere Aktivist*innen wie Jakob Blasel einen Schritt auf die Politik zu und kandidieren bei der Bundestagswahl. Diese Entscheidung stößt in den eigenen Reihen wie auch bei anderen Klimagruppen auf Kritik. Immer wieder gibt es Diskussionen über die Öffnung von FFF für radikalere Aktionsformen.

Die Argumentation lautet: Bereits jetzt führe die Klimakrise dazu, dass Menschen sterben, und Deutschland trage nicht zu einer verantwortungsvollen, klimagerechten Politik bei. Dass selbst das Programm der Grünen am 1,5-Grad-Ziel vorbei rasselt, wurde von vielen Wissenschaftler*innen bestätigt. Und so drängen Teile der Bewegung dazu, radikale Aktionsformen zu wählen. Viele Fridays nahmen an den Protesten im Dannenröder Wald statt und erlebten dort die direkte Konfrontation mit Staat und Polizei. Ortsgruppen wie die in Frankfurt am Main bekennen sich inzwischen öffentlich zum zivilen Ungehorsam. Jüngstes Zeichen der Radikalisierung ist der Hungerstreik junger Klimaaktivist*innen in Berlin.

Beim Thema Weiterentwicklung der Aktionsform wird es ruhig um die Spitze der FFFs. Unbeirrt wird der nächste Klimastreik geplant. Selbst Greta Thunberg kommt nach Berlin. In einem »Taz«-Gespräch im letzten Jahr hat sich Luisa Neubauer klar positioniert: »Ich glaube nicht, dass es aufgehen würde, wenn wir jetzt die Geschichte erzählen von den Kindern, die eskalieren, weil sie die Geduld verlieren, innerhalb des demokratischen Systems Veränderungen einzufordern.«

Fridays for Future hat einen riesigen Beitrag dazu geleistet, den Klimawandel ins Bewusstsein zu rücken und auf die politische Agenda zu setzen. Inzwischen hat die Bewegung etwas zu verlieren: die Legitimität ihrer Aktionen. Damit haben sie sich etwas aufgebürdet, was stark daran erinnert, wie sich Politiker*innen beim Stichwort Klimawandel aus der Verantwortung reden.

Selbstverständlich brauchen soziale Bewegungen Rückhalt in der Bevölkerung. Allerdings können sie frei handeln und von außen auf bestehende Problem des Systems hinweisen. Anders als Politiker*innen sind sie nicht von Wahlen abhängig oder von Mehrheiten. Sie sind nicht in einem System gefangen, das von innen nicht in der Lage ist, die Dramatik der Klimakrise zu erkennen und die nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Aber soziale Bewegungen wie FFF sind eben auch temporär: Schwierig bis unmöglich wird es sein, die Mobilisierungszahlen und damit den politischen Druck aufrecht zu erhalten, sollte es keine drastische Veränderung in Struktur und Aktionsform der Bewegung geben.

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