Berliner AfD halbiert sich nahezu

Die Stimmanteile für die rechte Partei bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus sind von 14,2 auf acht Prozent gefallen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist ein kleines Signal, aber keines, das ungesehen bleibt: In Berlin hat die AfD bei den »Superwahlen« am Sonntag deutlich verloren. Hatte sie vor vier Jahren noch 11,4 Prozent der Zweitstimmen bei der Wahl zum Bundestag geholt, brach sie nun in der Hauptstadt auf 8,4 Prozent ein. Auch in ihren Hochburgen in einigen Berliner Bezirken hat die rechte Partei zum Teil stark an Zuspruch eingebüßt. In Marzahn-Hellersdorf hatte sie fünf Prozentpunkte Verluste zu verzeichnen und erhielt nur noch 15,6 Prozent der Stimmen.

Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus (AGH) ist der Stimmenverlust noch deutlicher. Hatten die Rechten vor fünf Jahren noch 14,2 Prozent der Stimmen erhalten, waren es am Sonntag noch acht Prozent. Nur im Ostbezirk Marzahn-Hellersdorf wurden sie bei den AGH-Wahlen in den Wahlkreisen 1 und 3 mit 22,6 und 22 Prozent der Stimmen die stärkste Kraft. Gunnar Lindemann verteidigte hier somit sein Direktmandat, ebenso die stellvertretende Landesvorsitzende Jeanette Auricht. Sowohl Lindemann als auch Auricht waren in den vergangenen anderthalb Jahren durch ihre Teilnahme an rechtsextremen Coronaleugner-Demonstrationen aufgefallen, während sich die gesamte Berliner AfD programmatisch als Gegnerin der Eindämmungsmaßnahmen der Pandemie geriert hat.

Laut dem Modell des Umfrageinstituts dimap zur Wählerwanderung verlor die AfD die meisten Wähler an die CDU: 29 000 Menschen, die sich 2016 noch für die AfD entschieden, wählten nun die CDU. Ein beträchtlicher Anteil der ehemaligen AfD-Wähler ist demnach aber auch weggezogen oder verstorben.

Knapp anderthalb Jahre hatten in der Landes-AfD heftige Machtkämpfe getobt, bei denen sich zuletzt Verfechter völkisch-nationalistischer Positionen durchgesetzt hatten. Die im März gewählte Vorsitzende Kristin Brinker steht dem sogenannten Flügel der AfD nahe, ein Sammelbecken für ideologische Hardliner, deren Einfluss in der Partei auch nach der offizieller Auflösung der Gruppierung nach wie vor enorm stark ist. Brinker war mit maßgeblicher Unterstützung zahlreicher »Flügel«-Leute gewählt worden – beim Parteitag im Juni dann auch zur Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl. Damit setzte sie sich gegen den Fraktionsvorsitzenden Georg Pazderski durch, der lange versucht hatte, der Fraktion ein vorgeblich bürgerlich-konservatives Profil zu geben.
Auf einer Pressekonferenz der Fraktion am Montagnachmittag war daher auch schnell ausgemacht, wer in Pazderskis Augen schuld am schlechten Ergebnis der Partei ist: »Es war ein Fehler, in Berlin mit einer Spitzenkandidatin in den Wahlkampf zu ziehen, die darin nur geringe Erfahrungen vorweisen kann, die niemand kennt und die ein schwesterliches Verhältnis zum Flügel und zur Querdenken-Bewegung pflegt«, erklärte der von Brinker ausgebootete ehemalige Landeschef der Rechten. Die ehemals 25-köpfige Fraktion bestehe nur noch aus 13 Abgeordneten, man verliere vier von sieben Stadtratsposten und verfüge über deutlich weniger finanzielle Mittel, so dass man sich nicht mehr die »qualifizierten Mitarbeiter« leisten könne, die man gern hätte, beschrieb Pazderski das Ausmaß der »veritablen Katastrophe«, wie er das Ergebnis der Berliner AfD eingangs bezeichnete.

Der Landesgeschäftsführer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (Berliner VVN/BdA), Markus Tervooren, lässt am Montag gegenüber »nd« keinen Zweifel daran, dass er den Einbruch der Rechten auch als Erfolg antifaschistischer Mobilisierungen betrachtet. Es gebe in Berlin eine »breite Ablehnungsfront«, sagte Tervooren. Viele Veranstaltungen und Wahlstände der AfD seien regelrecht »belagert« worden, man habe dafür gesorgt, dass der Landesparteitag schließlich nach mehrfacher Verschiebung in einem Zelt am Stadtrand habe stattfinden müssen. Bündnisse von VVN/BdA über »Aufstehen gegen Rassismus« bis hin zur Initiative »Kein Raum der AfD« hätten es in den vergangenen Jahren vermocht, den Rechten den öffentlichen Raum streitig zu machen. Es lohne sich, auf die Straße zu gehen: »Widerstand kann erfolgreich sein, wenn er kontinuierlich ist«, erklärt der Antifaschist.

Natürlich löse die Stimmenverteilung auch gemischte Gefühle aus, sagt Tervooren. So sei die AfD in Marzahn-Hellersdorf ein »fester politischer Faktor« mit einem festen Milieu von Stammwählern, die dazu beigetragen haben, dass sich das Niveau der rechten Partei stabilisiert habe, so der Landesgeschäftsführer – auch mit Blick auf die Ergebnisse im Bund. Man werde die AfD im Blick behalten und ihr keine Ruhe lassen, versprach er.
Zu den Ergebnissen der Wahlen erklärte der Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, Christian Hoßbach: »Die AfD ist in Berlin und Brandenburg deutlich zurückgeworfen, das ist erfreulich. Diese Partei ist demokratiefeindlich und hat keinerlei vorwärtsbringende inhaltliche Vorschläge zu bieten. Gut, dass beim Kampf um Direktmandate die Wählerinnen und Wähler genau hingeschaut haben und gezielt aussichtsreiche demokratische Bewerber und Bewerberinnen gewählt haben.« Das habe in Brandenburg deutlich besser geklappt als beispielsweise in Sachsen.

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