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Die Büchse der Steuer-Pandora
Millionen geleakter Dokumente geben einen Einblick in die Grauzone der Vermögensverwaltung
Es ist mal wieder ein tiefer Blick in die Grauzone der Verwaltung von Privatvermögen, welches das »International Consortium of Investigative Journalists« (ICIJ) gewährt. Es geht um anonyme Geldanlagen »mithilfe von intransparenten Trusts, Stiftungen und Briefkastenfirmen«. Mehr als 600 Journalist-innen und Journalisten aus 117 Ländern haben sich fast zwei Jahre lang durch 11,9 Millionen geleakte Dokumente gekämpft. Die Datenmenge umfasst knapp drei Terabyte. Sie stammen von insgesamt 14 »Offshore Service Providers«, also Finanzdienstleistern, die Wohlhabenden dabei helfen, ihr Geld in Steueroasen zu verschieben. Dazu zählen Trident Trust mit Sitz auf den British Virgin Islands – die nicht mal 30 000 Einwohner zählenden karibischen Inseln unweit von Puerto Rico werden von London aus verwaltet und gelten derzeit als wichtiges Zentrum der Offshore-Finanzwelt. Ebenfalls vertreten ist eine Treuhandgesellschaft in Hongkong sowie Anwaltskanzleien in Zypern, wo russisches Geld verwaltet wird, und wieder einmal in Panama. Diese Dienstleister betreuen Briefkastenfirmen in aller Welt – von Mauritius bis zu den US-Bundesstaaten Delaware und South Dakota, von Dubai bis zu den Marschall-Inseln in der Südsee.
Das ICIJ nennt ihre am Sonntag veröffentlichte Publikation »Pandora Papers« – in Anlehnung an die Figur aus der griechischen Mythologie, die von den Göttern mit allerlei Reizen und positiven Eigenschaften ausgestattet wird, aber auch mit einer Büchse, die sämtliche Übel der Welt enthält. Im Mittelpunkt der »Pandora Papers« stehen Politiker. Darunter finden sich drei Dutzend aktive oder ehemalige Staats- und Regierungschefs. Zu den prominentesten gehören Andrej Babiš (Tschechien), Wolodimir Selenski (Ukraine), Nikos Anastasiadis (Zypern), Uhuru Kenyatta (Kenia), Nadschib Mikati (Libanon) und der frühere britische Labour-Premier Tony Blair, der über eine Offshore-Konstruktion dank eines legalen Schlupflochs gut 300 000 Pfund an Grunderwerbsteuer gespart haben soll. Besonders dreist hat es laut ICIJ aber Jordaniens König Abdullah II. getrieben, dem mindestens 30 Offshore-Firmen gehören, über die unter anderem 14 Luxusanwesen in den USA und Großbritannien gekauft wurden.
Neben der Politprominenz tauchen in den Dokumenten auch gut 130 Milliardäre vor allem aus Russland, Indien, den USA und Mexiko auf, zudem Richter, Spitzenbeamte, Sportler oder Boulevardprominente wie Shakira, Ringo Starr und das frühere Topmodel Claudia Schiffer. Letztere äußerte zu den Enthüllungen, sie habe sich an sämtliche Gesetze und Vorschriften gehalten.
Natürlich werden die Finanzdienstleistungen auch von Mafiaclans, Waffenschiebern und Drogenhändlern genutzt, die Einnahmen aus kriminellen Geschäften verschleiern wollen. Selbst ein gesuchter italienischer Neonazi findet sich in den Dokumenten.
In den vergangenen Jahren hatte es schon mehrere ähnliche Enthüllungen gegeben. 2016 wertete das ICIJ in den »Panama Papers« geheime Dokumente der Kanzlei Mossack Fonseca aus, die ein ausgeklügeltes System zur globalen Steuervermeidung betrieb. Nach der Veröffentlichung mussten etliche Politiker wie der isländische Regierungschef Sigmundur Gunnlaugsson und der pakistanische Premier Nawaz Sharif zurücktreten. Weltweit wurden Tausende Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Doch an den Praktiken hat dies nichts geändert, wie die noch umfangreicheren »Pandora Papers« belegen. Die geleakten Dokumente sagen nichts darüber aus, ob gegen Gesetze verstoßen wird. Und trotz der Menge geht es um Zufallstreffer – so finden sich hier kaum Deutsche. Auch diese haben nach Schätzung des Netzwerks Steuergerechtigkeit mehr als 125 Milliarden Euro anonym im Ausland gelagert und hinterziehen so jährlich 5 bis 15 Milliarden Euro Steuern.
Ferner dürfte öffentliche Bloßstellung ein weit stumpferes Schwert sein als Gesetzesänderungen, welche die massiven Steuervermeidungspraktiken effektiv unterbinden. »Ziel muss es sein, Licht ins Dunkel am Finanzmarkt zu bringen«, erklärt Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende. Es müsse verhindert werden, dass »weiter anonyme Unternehmen aus Schattenfinanzzentren genutzt werden können, um Immobilien oder Unternehmen zu kaufen«. Er fordert ein funktionsfähiges, öffentliches Transparenzregister für Unternehmen und Immobilien auch in Deutschland. Die neue Bundesregierung solle außerdem die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, dass Immobilien, bei denen die wirklichen Eigentümer nicht ermittelt werden können, beschlagnahmt werden können.
Straf- beziehungsweise Quellensteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen fordert hingegen der Linke-Finanzexperte Fabio De Masi. »Wir brauchen eine Bundesregierung, die den Kampf gegen Steueroasen angesichts der Härten der Coronakrise zum Topthema macht, statt einer Koalition für superreiche Steuerdiebe«, schimpft er. Der Noch-Linksfraktionsvize im Bundestag verweist zudem auf die eigentliche Brisanz der neuesten Enthüllungen: »Es sind Politiker, die ihr Land bestehlen, die uns einreden wollen, dass harte Maßnahmen im Kampf gegen Steueroasen nicht möglich seien.«
Die Probe aufs Exemplar findet gleich an diesem Dienstag statt, wenn die EU-Finanzminister über die Aktualisierung der Liste der Steueroasen beraten. Dies ist eine Art Pranger, der Außenwirkung haben und die bloßgestellten Länder und Gebiete dazu bringen soll, sich an internationale Standards zu halten. Die ohnehin schon löchrige Liste soll nun um drei Staaten auf nur noch neun verkleinert werden. Ganz wichtige Steueroasen wie die British Virgin Islands, Dubai oder mehrere US-Bundesstaaten wird man hier weiterhin vergeblich suchen.
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