Linksfraktionschefs: Experten sollen Wahlchaos aufklären

Unabhängige Fachleute sollen die Pannen beleuchten, um sie künftig vermeiden zu können

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Chaos, das am Wahltag in einigen Wahllokalen in Berlin herrschte, ist am Dienstag erneut Thema im Senat gewesen. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) erklärte im Anschluss an die Sitzung: »Ich möchte mich auch namens des Senats offiziell bei allen entschuldigen, die Schwierigkeiten mit der Stimmabgabe hatten.« Außerdem beschloss der Senat, dass er nach der Feststellung des amtlichen Endergebnisses der Wahl, das am 14. Oktober vorliegen soll, die Abberufung der Landeswahlleiterin Petra Michaelis von diesem Ehrenamt akzeptieren will. Darum hatte sie in der vergangenen Woche gebeten (»nd« berichtete). Überdies soll sich Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) dem Vernehmen nach offen und zugänglich dafür gezeigt haben, dass eine unabhängige Kommission von Expertinnen und Experten die zahlreichen Pannen aufarbeiten soll.

Diesen Vorschlag hatten die Vorsitzenden der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Anne Helm und Carsten Schatz, am Dienstag öffentlich unterbreitet. »Wir empfehlen dem Senat, schnell eine Kommission aus unabhängigen Expertinnen und Experten einzusetzen. Dabei muss es neben der Aufklärung der Unregelmäßigkeiten bei dieser Wahl vor allem darum gehen, herauszufinden, welche Veränderungen notwendig sind, damit sich so etwas nicht wiederholen kann«, erklärten die Fraktionschefs der Linken im Abgeordnetenhaus. Für die Linksfraktion sei klar, dass Senat, Verwaltung und die Landeswahlleitung gemeinsam in der Verantwortung seien, sicherzustellen, dass Wahlen in einer Großstadt wie Berlin unter vielfältigen Bedingungen reibungslos funktionieren. Dies sei eine demokratische Selbstverständlichkeit, hieß es in einer Pressemitteilung der Linksfraktionschefs. In der Kommission sollten zum Beispiel Wahlrechtsjuristinnen und -juristen, erfahrene Wahlleiterinnen und Wahlleiter aus anderen Städten sowie Fachleute für die zweistufige Berliner Verwaltung vertreten sein, um systematisch strukturelle Mängel in der Organisation zu identifizieren und zu beheben. Was die rechtliche Gültigkeit der Wahlen und ihrer Ergebnisse angehe, gebe es jedoch andere Zuständigkeiten, räumt die Linksfraktion ein. Dafür seien andere rechtliche Verfahren und Gerichte zuständig.

Auch die Grünen machten am Dienstag weiter Druck, damit die Wahlpannen in Berlin aufgearbeitet werden. »Diese ganzen Unstimmigkeiten bei der Wahl sind extrem ärgerlich und das muss jetzt alles genau aufgeklärt werden«, sagte die Landesvorsitzende der Grünen, Nina Stahr, am Dienstag im RBB-Inforadio. »Es gilt einfach, das Vertrauen in die Demokratie wieder zu stärken.« Insofern müsse »wirklich alles restlos aufgeklärt werden«. Wie bereits direkt von »nd« am Wahltag berichtet, waren am 26. September unter anderem in einigen Wahllokalen Stimmzettel verwechselt worden. In einigen anderen Lokalen fehlten Stimmzettel, der Nachschub kam nicht hinterher. Außerdem bildeten sich an vielen Wahllokalen lange Warteschlangen, zum Teil konnten stimmberechtigte Berlinerinnen und Berliner erst nach 18 Uhr ihre Stimmen abgeben.

An diesem Dienstag kam ein neuer Vorwurf hinzu. Die Zeitung »Welt« berichtete von drei Jugendlichen aus Neukölln und Pankow, die unter 18 Jahren gewesen sein sollen und nach eigenen Angaben nicht nur eine Stimme für die Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV) abgegeben, sondern auch bei den anderen Abstimmungen mitgemacht haben sollen, die an diesem Tag in Berlin stattfanden. Bei den BVV-Wahlen war eine Stimmabgabe ab 16 Jahren möglich, bei der Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl sowie beim Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen galt das Wahlalter 18. »Wenn ein 17-Jähriger hingeht und einen Stimmzettel für die Bundestagswahl einwerfen will, den er gar nicht hätte haben dürfen, dann kann er den nicht einwerfen, weil die dafür vorgesehene Urne nicht freigegeben wird«, sagte der Leiter der Geschäftsstelle der Landeswahlleitung in Berlin, Geert Baasen, am Dienstag. Anders sei es im Fall der Abgeordnetenhauswahl. »Bei der Berliner Wahl halte ich es für theoretisch möglich. Das würde ich nicht hundertprozentig ausschließen«, so Geert Baasen. mit Agenturen

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