Foltervorwürfe gegen Bahrain

Nachrichtensender erhebt schwere Anschuldigungen, Golfmonarchie soll Kinder misshandelt haben

  • Philip Malzahn
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Innenministerium in Bahrain bestreitet, dass in seinen Gefängnissen Kinder inhaftiert und gefoltert werden. Doch die Ergebnisse einer monatelangen Recherche des Fernsehsenders Al Jazeera zeigen das Gegenteil. Mindestens 607 Kinder sollen in den vergangenen Jahren in diversen Polizeistationen und Gefängnissen misshandelt worden sein, so berichtete der Sender Ende September im Format »Keine Distanz«. Die Recherchen stützen sich auf Gerichtsberichte sowie auf Zeugenaussagen von Kindern, die von solchen Misshandlungen während ihres Verhörs berichteten. Diese Verhöre wurden oft ohne Anwesenheit der Eltern der Kinder oder ihrer Anwälte durchgeführt, wie aus Dokumenten der bahrainischen Staatsanwaltschaft hervorgeht.

Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft sagten Al Jazeera, dass derzeit mehr als 150 Minderjährige in Bahrains Gefängnissen inhaftiert sind. Ein junger Mann, der seit seinem 16. Lebensjahr in einer Gefängniseinrichtung festgehalten wird, erzählte dem Sender, dass jene, die in Einzelhaft kommen, oft ans Bett gefesselt oder an Händen und Füßen gefesselt werden. »Sie können oft nicht duschen oder sich umziehen«, sagte der Häftling.
Zu den Erkenntnissen gehört auch, dass zwischen 2011 und 2021 mindestens 193 Kinder zu Haftstrafen verurteilt wurden. Einige davon zu lebenslanger Haft. Als Reaktion auf die Recherchen von Al Jazeera erklärte das Innenministerium, in Bahrain seien keine Kinder inhaftiert. Jedoch würden einige Personen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren in einer speziellen Justizvollzugsanstalt sein. In einer Erklärung fügte das Ministerium hinzu, dass die Kinder, die Strafen verbüßen, in kriminellen und »terroristischen« Fällen verurteilt worden seien und ein faires Verfahren erhalten hätten.

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Es ist nicht das erste Mal, dass die Inselmonarchie am Golf wegen Menschenrechtsverletzungen in die Schlagzeilen gerät. Im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings brach 2011 eine Protestwelle gegen das Königshaus aus, die von den Sicherheitskräften brutal niedergeschlagen wurde. Seitdem hat die Repression der Sicherheitskräfte, etwa durch die Anwendung der Todesstrafe, verstärkt zugenommen, wie ein gemeinsamer Bericht der Menschenrechtsgruppe Reprieve und des Bahrain Institute for Rights and Democracy im Juli veröffentlichte. Genaue Zahlen zu Hinrichtungen werden jedoch von der Regierung geheim gehalten.

Andere Fälle jedoch gelangen an die Öffentlichkeit, etwa der Tod des Aktivisten Hasan Abdulnabi Mansoor. Dieser war im August in einer bahrainischen Strafanstalt ums Leben gekommen, nachdem man ihm eine medizinische Notfallbehandlung verweigert hatte.

In Bahrain, was auf Arabisch wörtlich »Zwei Meere« heißt, spielt sich seit Jahrzehnten ein Konflikt zwischen Regierenden und Regierten ab, der symptomatisch für die derzeit größte Sicherheitsbedrohung am Golf ist. Bahrain liegt geografisch, aber auch demografisch zwischen zwei konkurrierenden Großmächten: Iran und Saudi-Arabien. Während die Bevölkerungsmehrheit wie im Iran schiitisch ist, ist das regierende Königshaus der Khalifas sunnitisch. Anders als in anderen erdölreichen Golfmonarchien teilt die herrschende Familie relativ wenig des Reichtums mit der Allgemeinbevölkerung. Dazu kommt die Verfolgung religiöser Kleriker aber auch aller Kritiker, die sich außerhalb des religiösen Spektrums bewegen. Daraus ist eine schiitische Oppositionsbewegung entstanden, die die Herrschaftslegitimation der Khalifas grundsätzlich infrage stellt.

Das Königshaus, das sich nicht nur religiös, sondern auch politisch an Saudi-Arabien orientiert, begründet alle Maßnahmen gegen die Opposition mit dem Kampf gegen »terroristische Elemente«, die angeblich teils durch den Iran eingeschleust und finanziert sein sollen. Die schiitische Opposition beteuert, dass es ihnen um grundlegende Menschenrechte geht, nicht um die Durchsetzung einer schiitischen oder gar iranischen Agenda.

Um die Unterdrückung der Bevölkerung zu gewährleisten, werden vor allem pakistanische Söldner angeheuert. Über ein Fünftel der Polizisten in Bahrain sind pakistanische Staatsbürger, insgesamt sind mehr als 10 000 Pakistaner bei den Streitkräften angestellt. Nicht nur in Bahrain, auch im restlichen Golf wird das Land neben dem Jemen als vorderste Front eines religiösen Konflikts angesehen, der seit der islamischen Revolution im Iran 1979 und der Etablierung der ersten schiitischen Großmacht eine immer größere Rolle spielt. Davor gab es zwar vereinzelt auch Spannungen zwischen den Religionsgruppen in der gesamten Region, doch stand dieser kaum im Vordergrund und wurde vor allem nicht von Staaten wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder dem Iran vorangetrieben, um machtpolitische und geostrategische Interessen durchzusetzen.

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