Mehr Cringe für alle

Ein Kommentar zum Jugendwort des Jahres 2021

  • Corinna Meisenbach
  • Lesedauer: 2 Min.

»Cringe« wurde nach einer Abstimmung unter 1,2 Millionen Jugendlichen als Jugendwort des Jahres 2021 gewählt. Cringe beschreibt das süßlich-schmerzliche Gefühl, das von der Magengegend durch den ganzen Körper kriecht, wenn andere etwas tun, was in einem Peinlichkeit auslöst. Fremdscham also. Dabei wird Cringe vor allem von Menschen hervorgerufen, die etwas richtig ernst meinen. Die wichtigste Zutat dabei: Ein Hauch zu viel Anstrengung, Leidenschaft und Ergriffensein. Kommt nun eine Spur missglückter Umsetzung hinzu, ist der Cringe perfekt.

Dieses Wort hat vor allem Auswirkungen auf Menschen, die es benutzen: Der Spagat des neoliberalen Individuums, gleichzeitig anders und individuell wirken zu wollen und nicht selbst cringe zu werden, ist ein anstrengendes Unterfangen. Aufgelöst wird dieser innere Konflikt durch ironische Distanz zu allem: Nicht-Authentizität als Selbstverteidigung. Es wird sich ironisch gekleidet, positioniert und gut gefunden, um nicht in die Cringe-Falle zu tappen. Dabei ist es doch so: Wenn es jemals eine richtige Zeit im Leben gab, um wirklich cringe zu sein, ohne dafür sanktioniert zu werden, dann ist es die Jugend. Hoffen wir also, dass nächstes Jahr ein Wort gewählt wird, dass im positiven Sinne für die Äußerung authentischer Gedanken und Emotionen steht - auch wenn sie zehn Jahre später Scham in uns auslösen sollten.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.