- Kommentare
- Bolivien
Boliviens Linke wird abgestraft
Martin Ling über das Debakel bei den Präsidentschaftswahlen
Es gibt einen klaren Sieger und einen klaren Verlierer der bolivianischen Präsidentschaftswahlen: Der Sieger, wie wohl noch nicht der neue Präsident, heißt Rodrigo Paz, der sich in kürzester Zeit von zwei Prozent in den Umfragen auf 32 Prozent katapultierte. Er konnte sich erfolgreich als Kandidat des Nicht-Establishments präsentieren, nicht zuletzt, weil er mit Edmand Lara einen Vize im Schlepptau hatte, einen netzaffinen Ex-Polizisten, der sich Ansehen erwarb, weil er Korruption in den eigenen Reihen enthüllt hatte. Der klare Verlierer ist die linke Bewegung zum Sozialismus (MAS), die 2020 mit Luis Arce auf 55 Prozent kam und nun mit ihrem Notkandidaten Eduardo del Castillo auf 3,14 Prozent. Ein historischer Absturz.
Den Sieger Rodrigo Paz hatte keiner vorab auf der Rechnung, den Absturz der MAS hatten alle prognostiziert. Die zentralen Gründe dafür waren nicht zu übersehen: Der Machtkampf zwischen Präsident Luis Arce und Ex-Präsident Evo Morales (2006 bis 2019), der nach den umstrittenen Wahlen 2019 durch einen Putsch zeitweise ins Exil getrieben worden war, hat viele Anhänger der MAS in die Politikverdrossenheit getrieben. Die tiefe Wirtschaftskrise, die Luis Arce, als Wirtschaftsminister der seit 2006 andauernden MAS-Ära für den langen Aufschwung maßgeblich mitverantwortlich, als Präsident nicht ansatzweise in den Griff bekam.
Dass die Linke stärker ist als das Wahlergebnis, zeigen die ungültigen Stimmen, zu deren Abgabe Evo Morales aufgerufen hatte. 19 Prozent sind ihm gefolgt. Schon vor der Wahl hatte Morales verkündet: »Gemeinsam mit dem Volk werden wir den Kampf auf die Straße tragen.« Das Ergebnis wird ihn dazu motivieren. Bolivien stehen unruhige Zeiten bevor. Denn viele, die von der MAS profitierten, haben nun viel zu verlieren.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.