Die legitimen Rechte gehen an die Erben über

Wie sich der digitale Nachlass regeln lässt

  • Iris Albrecht, FPSB Deutschland
  • Lesedauer: 5 Min.

Im Testament ist in der Regel klar bestimmt, wer Haus und Grund, das Vermögen und wertvolle Gegenstände nach dem Tode bekommen soll. Doch was mit den persönlichen digitalen Daten nach dem Ableben passiert, ist in den seltensten Fällen geklärt.

Das ist ein Fehler, denn in einer »digitale Erbmasse« häufen viele Menschen Informationen ihres Leben an. »Ob Daten aus sozialen Netzwerken, E-Mails oder Benutzerkonten für Online-Banking oder andere Plattformen im Web - durch die Digitalisierung umfassen Nachlässe und Erbschaften immer häufiger auch digitale Bestandteile«, erläutert Maximilian Kleyboldt, Vorstandsmitglied des FPSB Deutschland.

Urteile des BGH

Facebook muss den Erben vollen Zugang zum vollständigen Benutzerkonto der Verstorbenen und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten gewähren. Das entschied der BGH schon am 12. Juli 2018 (Az. III ZR 183/17). Im Beschluss vom 27. August 2020 (Az. III ZB 30/20) präzisierte der BGH, was unter »Zugang« zu einem Benutzerkonto zu verstehen ist. Im entschiedenen Fall hatten die Eltern Facebook erfolgreich darauf verklagt, ihnen Zugang zum Benutzerkonto ihrer verstorbenen Tochter zu gewähren. nd

Für Erblasser ist sehr bedeutsam, wer Zugang zum digitalen Erbe hat

Immer mehr digitale Spuren werden bewusst oder auch unbewusst hinterlassen. Diese elektronischen Daten, die nach dem Tod des Benutzers weiter existieren, werden als »digitales Erbe« oder »digitaler Nachlass« bezeichnet.

Fakt ist: Die legitimen Rechte gehen an die Erben über. Für den Erblasser ist es somit sehr bedeutsam, wer nach seinem Ableben welche Daten erhält, in denen wertvolle Informationen über Vermögenswerte bis hin zu privaten Geheimnissen gespeichert sind. Wichtig ist dabei vor allem, dass im Todesfall auch die Erben Zugang erhalten und Kenntnis über den Zugang haben. Nicht zuletzt löste der »Facebook-Fall« (siehe Urteile des BGH) einen rechtswissenschaftlichen Diskurs hinsichtlich des digitalen Nachlasses aus, nachdem Facebook den Eltern zunächst den Zugang zum Account ihrer verstorbenen Tochter verweigert hatte.

Die Unwissenheit über die digitalen Spuren ist erheblich

Nur acht Prozent der volljährigen Deutschen haben sich bisher intensiv mit der Regelung des digitalen Nachlasses beschäftigt. Ein Hindernisgrund ist dabei die Unwissenheit. Viele wissen gar nicht, dass auch E-Mail-Accounts oder Konten in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram zum »digitalen Erbe« gehören.

»Der digitale Nachlass findet bei der Nachfolgeberatung wenig bis keine Berücksichtigung. Wer sein digitales Erbe schon zu Lebzeiten ordentlich regelt, macht es seinen Hinterbliebenen jedoch leichter«, rät Maximilian Kleyboldt. Schließlich müssen Hinterbliebene sonst etwa Daten oder bestehende Accounts löschen sowie vereinbarte Abos und Kaufverträge kündigen, die bekanntlich nicht automatisch enden.

Daher rät Maximilian Kleyboldt: »Je sensibler und sorgfältiger bereits zu Lebzeiten mit den Spuren im Netz umgegangen wird, desto einfacher ist es für die Erben, den digitalen Nachlass zu verwalten.«

Sinnvoll sei beispielsweise, zunächst eine Übersicht aller Accounts mit Benutzernamen und Kennwörtern zu erstellen. In einer Vollmacht kann der Erblasser zudem frühzeitig festlegen, was nach dem Tod mit seinen Accounts, Passwörtern und anderen digitalen Spuren, wie Daten in Cloud-Diensten, passieren soll und wer die Zugriffsrechte erhält.

Nach BGH-Urteil erhalten Erben einen kompletten Daten-Zugriff

Noch etwas sollten Erblasser unbedingt beachten: Nach Urteil des BGH geht das digitale Erbe komplett auf die erbberechtigten Hinterbliebenen über, so dass sie auf die Daten zugreifen dürfen - und das selbst dann, wenn es sich um private Chats handelt.

Laut BGH steht in diesem Fall das Erbrecht über dem postmortalen Persönlichkeitsrecht, dem Fernmeldegeheimnis sowie dem Datenschutz. Wer jedoch verhindern will, dass einer der Erben auf ein Nutzerkonto zugreifen kann, sollte einen Testamentsvollstrecker einsetzen, der den Zugriff der Erben verhindert und die Datenbestände löscht beziehungsweise Nutzerkonten kündigt.

»Jeder Erblasser sollte sich daher frühzeitig um die Regelung des eigenen Nachlasses kümmern, egal, ob dieser aus klassischen Sachwerten wie einer Immobilie oder Aktien oder digitalen Werten besteht«, empfiehlt der FPSB-Vorstand Kleyboldt.

Ohne Hinweise auf Benutzernamen, Passwörter oder PINs können im schlimmsten Fall sogar Vermögenswerte unerkannt bleiben. Das gilt insbesondere für Konten bei reinen Online-Banken, für restliche Paypal-Guthaben oder auch für Vermögenswerte in Kryptowährungen. Die Herausforderung für die Nachfolgeberatung bezüglich des digitalen Nachlasses ist das Spannungsfeld zwischen Dokumentation und Diskretion.

Welche Schritte sollte man in Bezug auf den digitalen Nachlass einleiten?

Kümmern Sie sich um das Thema »digitaler Nachlass«.

Anfertigung einer dokumentierten Übersicht der Aktivitäten im Internet.

Zugangssicherung für bestimmte bzw. definierte Personen gewährleisten.

Benutzerkennung und Passwort sowie entsprechende Aktualisierungen sollten der vorgesehenen Person in geeigneter Weise bekannt sein, um sie in die Lage zu versetzen, im entscheidenden Zeitpunkt auf den jeweiligen Account zugreifen zu können.

Integrieren Sie Ihre Wünsche bezüglich des digitalen Vermögens in Ihren Vollmachten.

Machen Sie sich auch vertraut mit den Nutzungsbedingungen der von Ihnen in Anspruch genommenen digitalen Dienstleistungen und den jeweiligen anbieterspezifischen Regelungen, insbesondere für die Stellvertretung und die Fälle des Versterbens.

Suchen Sie das Gespräch mit der von Ihnen ausgewählten Person und unterrichten Sie diese in geeigneter Form über Ihre Wünsche für den Fall der Fälle.

Was ist dem Erblasser des digitalen Erbes zu raten?

Bei Online-Aktivitäten und bei der Speicherung von Daten grundsätzlich zwischen geschäftlichen und privaten Daten sowie ggf. Vermögenswerten und Nicht-Vermögenswerten zu trennen.

Anlage einer digitalen Vorsorgemappe: Verschlüsselung des Dokuments mit einem sogenannten Master-Passwort. Dieses braucht nicht regelmäßig geändert werden und kann den Erben beispielsweise im Rahmen der letztwilligen Verfügung mitgeteilt werden.

Checken Sie aktuelle Vollmachten oder das bestehende Testament in Bezug auf den digitalen Nachlass.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die vorstehenden Informationen nur einen Ausschnitt der möglichen Aktivitäten umfassen und insbesondere die rechtlichen Fragestellungen mit dem persönlichen Rechtsberater erörtert werden sollten. FPSB/nd

Aufgabe des FPSB Deutschland - das Financial Planning Standards Board - mit Sitz in Frankfurt am Main ist die Zertifizierung von Finanz- und Nachfolgeplanern nach klar definierten Regeln. FPSB arbeitet auch eng mit Verbraucherschützern zusammen und informiert neutral über alle relevanten finanziellen Themen bis hin zur Berechnung der Altersrente und der Basisrente. Weitere Informationen unter: www.fpsb.de.

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