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Der Geist und der Tod
Als der Philosoph Hegel 1831 starb, wütete die Cholera in Berlin
Am 14. November 1831 starb der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel im Alter von 61 Jahren in Berlin, wahrscheinlich an Cholera. Die Nachrufe aus der Zeit beschreiben Hegel als einen Philosophen auf der Höhe seiner Schaffenszeit. Bei näherer Betrachtung ergibt sich aber das Bild eines schwächelnden und aus dem Leben düster scheidenden Philosophen. Obgleich ein plötzlicher Infektionstod womöglich die Ursache war, steht sein Tod unter den Vorzeichen des Verdunkelns eines hellen Geistes: Streit, Resignation und Müdigkeit gehen seinem Tod voraus.
Die Umstände des Todes sind bedrückend. Jener Herbsttag war nicht nur auch schon Leibniz’ Todestag, wie Zeitgenossen verwundert über die philosophiegeschichtliche Dopplung bemerkten, sondern auch der Geburtstag von Hegels Mutter. An diesem Tag dachte Hegel jedes Mal an sie, die in seiner Kindheit an Typhus verstorben war. Von ihren sieben Kindern haben nur drei das Säuglingsalter überlebt. Hegels Bruder Georg Ludwig starb mit 36 Jahren. Die Schwester Christiane hielt sich zu Hegels Todeszeitpunkt in einer Psychiatrie auf und sollte sich drei Monate später in einem Fluss ertränken.
Unter den letzten drei Briefen Hegels im Herbst 1831 finden sich ein unfertiges Schreiben an Karl August Varnhagen über den schon 1814 verstorbenen Fichte, gegen den Hegel einen Groll gehegt hat, außerdem ein wütender Brief an seinen Lehrassistenten Eduard Gans, der ihm mit seinen Vorlesungen über die Rechtsphilosophie die Studierenden abläuft, und noch eine allerletzte Nachricht an seinen Verleger. Diese enthält einen Spruch als Widmung der neuen Auflage seines Buches über die Logik, den Hegel schon in Einleitung zur letzten Auflage seiner »Enzyklopädie« genannt hatte. Es ist ein Zitat des römischen Philosophen Cicero: »Die Philosophie nämlich ist mit wenigen Richtern zufrieden, flieht selbst absichtlich die Masse, der sie verdächtig und verhasst ist«.
Noch am Donnerstag und Freitag vor seinem Tod hatte Hegel in der Universität seine Vorlesungen gehalten. Das umfassende Werk Hegels besteht in weiten Teilen aus dem, was die Studierenden mitgeschrieben haben. Seine »Ästhetik«, die »Philosophie der Geschichte« und die »Geschichte der Philosophie« sind keine echten »Bücher«, sondern Vorlesungsmitschriften. Sein Nachlass wurde an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und damit erfreulicherweise schnell in die öffentliche Hand gegeben. Zu dem größten Leid dagegen gehört, dass seine zwei sehr konservativen Söhne Immanuel und Karl Teile des Nachlasses verbrannt haben, bevor er übergeben wurden.
Über den Tod selbst hatte Hegel einiges mitzuteilen - so über den »Tod des Individuums aus sich selbst« oder den Tod als das »Sichbefreien des Endlichen von seiner Endlichkeit« -, aber was können wir heute darüber sagen? Zu den schönsten Sätzen über den Tod aus Hegels Werk gehört wohl dieser: »Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes«. Hegel wusste, das Sterben gehört zum Leben dazu. Und das Geistige überdauert.
Hegel ist tot, aber seine Philosophie ist so populär wie nie. Das komplex editierte Werk steht heute als Gesammelte Werke in rund 50 roten Bänden des Felix-Meiner-Verlags in jeder Bibliothek. Wie die MEGA zur MEW verhält sich diese große Ausgabe, von der es auch erschwingliche Exemplare der Hauptwerke zu kaufen gibt, zur frühen und veralteten Werkausgabe in 20 Bänden und schwarzer Aufmachung bei Suhrkamp.
Um kurz nach 17 Uhr, nachdem er 30 Stunden im Sterben gelegen hatte, schied Hegel mit dem 14. November am selben Wochentag aus dem Leben, an dem er geboren wurde: an einem Montag.
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