Fragerunde ohne Überraschungen

Scholz, Habeck und Lindner gaben einen ersten Einblick, wie sie ihre Politik öffentlich darstellen

Vorhang auf - Bühne frei? Ganz so lief es bei dem gemeinsamen Auftritt des designierten Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), des künftigen Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Grüne) und des Finanzministers in spe Christian Lindner (FDP) in der Bundespressekonferenz nach den Unterschriften unter den Koalitionsvertrag nicht ab.

Wer dort auftritt, muss Fragen aushalten, darf auch verlautbaren, aber hat das Heft des Handelns im Idealfall nicht in der Hand. Das zeigten auch die einleitenden Worte des Journalisten Tim Szent-Iványi, der Scholz quasi ins Hausaufgabenheft schrieb, er möge als gewählter Bundeskanzler doch öfter Fragen beantworten, als das seine Vorgängerin im Amt tat. Angela Merkel (CDU) war nur zu einem jährlichen Pflichttermin zu bewegen.

Dass Fragen zur Regierungspolitik ihre Grenzen darin finden, was diese bereit ist einzuräumen, zeigte das Männertrio, das so ganz und gar nicht für den höheren Anteil an Frauen in der künftigen Bundesregierung steht, dann vor Publikum. Die künftige Ampel-Regierung lässt zunächst offen, ob sich Deutschland dem diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in China anschließen wird. Scholz kündigte eine enge Abstimmung mit den Partnerländern an und legte ein grundsätzliches Plädoyer für Dialogbereitschaft in der Außenpolitik ab. Fragen, die eigentlich in das Ressort von Annalena Baerbock (Grüne) fallen.

Über die Frauen in der neuen Bundesregierung schreibt Aert van Riel
im Artikel »Neue Chefinnen für Polizei und Soldaten«

»Zum dritten Mal wird Scholz nach einer klaren Aussage zum Olympia-Boykott gefragt. Keine klare Antwort«, kritisiert Miriam Holstein, Journalistin bei der Funke-Mediengruppe, via Twitter das, was in der Bundespressekonferenz allzu oft wirkt, als versuche man einen Pudding an die Wand zu nageln.

Viele Länder, mit denen Deutschland zu tun habe, hätten »Regierungsformen, die vollständig anders ausgerichtet sind, als das, was wir selber richtig finden«, sagte Scholz. Die neue Bundesregierung müsse es »hinkriegen, über die Unterschiede Bescheid zu wissen und trotzdem gut miteinander auszukommen in der Welt«. Dies sei ein »kluges Verständnis von Politik«.

Die USA hatten am Montag einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in China bekanntgegeben. Regierungsvertreter werden damit nicht zu den Spielen reisen. Als Grund wurden weitreichende Menschenrechtsverletzungen genannt. US-Athleten dürfen an den Spielen aber teilnehmen.

Lindner setzte argumentativ zum Spagat an. Bei der künftigen Ausgestaltung der Beziehungen zu China müsse auch die wirtschaftliche Bedeutung der Volksrepublik berücksichtigt werden. Es werde »auch weiterhin die besondere Rolle des chinesischen Binnenmarkts für die deutsche Wirtschaft berücksichtigt werden«, so Lindner. »Auf der anderen Seite haben wir uns vorgenommen, auf der Weltbühne auch einen Einsatz zu zeigen für Menschenrechte, die Achtung des Völkerrechts und Multilateralismus.« Darüber müsse es einen »offenen Austausch« mit China geben.

In welchen Bereichen eine Weiter-so-Politik droht, ließ Scholz dann erahnen, als er das Bekenntnis zum transatlantischen Bündnis mit den USA bekräftigte. Keine Überraschungen auch beim Blick nach Europa: »Meine erste Reise wird mich nach Paris führen. Das hatte ich sehr früh angekündigt und dem werde ich auch nachkommen«, so Scholz. Nach Angaben aus Paris wird Scholz dort am Freitagmittag erwartet. Anschließend werde er auch nach Brüssel reisen.

Damit das insgesamt souverän statt nur phlegmatisch klingt, formulierte Scholz, die künftige Ampel-Koalition wolle an die Außenpolitik anknüpfen, die sich bisher durch die deutschen Bemühungen auszeichnete, eine »starke, souveräne und offene Europäische Union zu schaffen«. Die Welt der Zukunft werde von »ziemlich vielen sehr einflussreichen Ländern« geprägt sein, »nicht nur von zwei«, fügte er hinzu. In dieser Welt sei es wichtig, »dass Europa stark und souverän handeln kann«.

Das drängende Thema an der europäischen Ostgrenze und für den Umgang Polens mit Migranten im Grenzgebiet zu Belarus, kommentierte Scholz abgeklärt. Die Verantwortung für die Situation liege klar beim belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Dieser habe keine Legitimation im eigenen Volk und habe mit seiner Flüchtlingspolitik versucht, Einfluss in Europa zu nehmen, sagte Scholz.

Seit Wochen versuchen Tausende Migranten und Flüchtlinge, von Belarus über die EU-Außengrenzen nach Polen oder in die baltischen Staaten zu gelangen. Die EU wirft Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus Krisenregionen nach Minsk einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen und so die Lage im Westen zu destabilisieren. Die EU-Staaten hatten Stacheldrahtzäune errichtet, um die Migranten aufzuhalten. Die Gespräche über die Rückkehr von Migranten in ihre Herkunftsländer zeigten Wirkung, lobte Scholz. Zuletzt flog der Irak Hunderte in Belarus gestrandete Migranten zurück in ihre Heimat. »Deshalb, glaube ich, muss man schon anerkennen, dass Polen dort eine schwierige Aufgabe hat und eine große, große Herausforderung«, sagte Scholz. »Und da empfehlen sich nicht Kommentare von weiter weg.«

Einhellig gab sich das Trio beim Thema Impfgegner. Den Fackelaufmarsch von Gegnern der Corona-Politik vor dem Privathaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) verurteilten alle drei Politiker scharf. »Unser Staat ist eine wehrhafte Demokratie«, sagte Lindner. »Alle diejenigen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung aus welcher Veranlassung auch immer in Frage stellen, müssen sich sicher sein, dass dieser Staat das nicht hinnehmen wird.«

Habeck bezeichnete das Impfen als den Weg zurück »zur offenen, freien Gesellschaft mit möglichst wenig Einschränkungen«. Die Politik müsse deshalb im Sinne des Landes und der Freiheit die notwendigen Maßnahmen ergreifen. »Das werden wir auch tun«, sagte er mit Blick auf die Impfpflicht, über die in der Ampel-Koalition aber keine Übereinkunft existiert. Lindner hatte bereits angekündigt, persönlich voraussichtlich für eine allgemeine Corona-Impfpflicht zu stimmen. Andere FDP-Abgeordnete stehen dem Vorhaben aber skeptisch gegenüber.

Auch bei den Bemühungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich zunächst wenig Änderung zeigen. Habeck dämpfte die Erwartungen, man fange mit einem Rückstand an, den man sicherlich ein bis zwei Jahre vor sich hertrage.

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