Zwischen Baum und Borke

Finnland hält sich trotz russischer Warnungen vor weiterer Nato-Expansion alle Optionen offen

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.

Nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin Anfang Dezember in einer Rede vor ausländischen Diplomaten und kurz darauf in einem Gespräch mit dem amerikanischen Außenminister Anthony Blinken Garantien verlangte, dass die Nato keine weiteren Mitglieder in Osteuropa aufnehmen würde, kam die Reaktion von Finnlands Präsident Sauli Niinistö prompt. Finnland behalte sich das Recht auf eine freie Entscheidung darüber vor, ob und wann das Land um die Nato-Mitgliedschaft ersuchen will, erklärte Niinistö, der als Staatschef traditionell die wichtigste Rolle in der Außenpolitik des Landes spielt. Niinistö pochte auf den »notwendigen nationalen Handlungsspielraum« und machte damit klar, dass die Zeiten des Kalten Krieges, als Finnland größere außenpolitische Entscheidungen mit dem östlichen Nachbarn koordinierte, endgültig vorbei sind. Die Nato bezeichnete Niinistö als stabilisierenden Faktor in Europa. Gleichzeitig unterstrich der Präsident aber auch die Wichtigkeit des Dialogs mit Russland und beklagte das gegenwärtige Gesprächsniveau zwischen der westlichen Allianz und der Atommacht im Osten als historisch schlecht.

Putins Forderung nach verbindlichen Zusagen, dass sich die Nato nicht noch weiter nach Osteuropa ausdehnt, ist zwar mehr auf die Ukraine als auf Finnland gemünzt, aber die russische Führung will natürlich auch vermeiden, dass ihre strategisch wichtigen U-Boot-Stützpunkte auf der Halbinsel Kola im Gebiet Murmansk in unmittelbarer Reichweite eines weiteren Nato-Staats liegen. Auch eine erhöhte Nato-Präsenz in den baltischen Ländern, die den Wunsch nach permanenter Stationierung von Nato-Truppen und festen Stützpunkten geäußert haben, ist Moskau ein Dorn im Auge. Gegenwärtig sind hier nur wenige Hundert Mann nach einem Rotationsprinzip stationiert, um das Gentlemen's Agreement mit Russland von 1997 nicht zu verletzen.

Finnland ist seit 1994 ein wichtiger Nato-Partner und beide Seiten koordinieren seitdem ihre militärischen Aktivitäten. Kommunikationseinrichtungen sind eingerichtet und es wurden Verbindungsoffiziere ausgetauscht. Finnland beachtet beim Einkauf von Rüstungsmaterial Nato-Standards und finnische Truppenteile nehmen oder nahmen an Nato-Missionen teil, etwa im Kosovo und in Afghanistan. Finnische Schiffe waren zeitweise an Einsätzen im Mittelmeer beteiligt. Auch bei der Luftraumüberwachung arbeiten beide Seiten zusammen.

Der wichtigste Schritt ist jedoch die Abhaltung gemeinsamer militärischer Übungen. Finnische Einheiten nehmen regelmäßig an Manövern in Nato-Staaten teil, insbesondere in Norwegen und in den baltischen Ländern. Im Gegenzug lädt Finnland zu militärischen Übungen auf dem eigenen Territorium ein. Insbesondere die finnischen Kompetenzen bei der Kriegsführung unter arktischen Bedingungen sind für die Nato interessant. Auch mit dem blockfreien Schweden hält Finnland regelmäßig Übungen ab, sodass die finnischen und schwedischen Luft- und Seestreitkräfte einen hohen Kooperationsstand erreicht haben. Zur logistischen Erleichterung von Nato-Aktivitäten unterschrieben die Nato und Finnland ein sogenanntes Gastgeberabkommen, das die Vorausstationierung militärischen Materials in Südwestfinnland ermöglicht.

Obwohl Staatspräsident Niinistö die Entscheidungsfreiheit über einen Nato-Beitritt betont, hat Finnland vorläufig nicht die Absicht, einen Aufnahmeantrag zu stellen. Unter anderem müssen die Politiker Rücksicht nehmen auf die Stimmung in der Bevölkerung, die gegenwärtig eine Fortsetzung der finnischen Neutralitätspolitik favorisiert. Im Krisenfall könnte Finnland zwar mit Unterstützung durch die Nato rechnen, aber nicht auf den militärischen Beistand aller Mitgliedsstaaten bauen. Daher ist die enge militärische Zusammenarbeit mit Schweden der Eckstein der finnischen Verteidigungsstrategie. Politisch und militärisch realistisch wäre daher nur ein gleichzeitiger Nato-Beitritt beider Länder. Aber auch Schweden zieht in dieser Frage weiterhin den Status quo vor.

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