Völkerrecht als Maßstab

Wolfgang Hübner über das Verhältnis zwischen Russland und der Nato

Inakzeptabel – dieses eine Wort fasst korrekt zusammen, was die russische Führung von der fortschreitenden Osterweiterung der Nato hält. Präsident Wladimir Putin hat das auf seiner Jahrespressekonferenz bekräftigt und auf die Sicherheitsinteressen seines Landes hingewiesen.

Diese Interessen hat der Westen bisher sträflich außer Acht gelassen. Er hantiert mit Drohgebärden – politischer, wirtschaftlicher, militärischer Art –, die in Moskau auch so verstanden und mit Drohgebärden beantwortet werden. Und umgekehrt. Das ist keine verantwortungsvolle Politik; allzu schnell kann daraus ein heißer Konflikt entstehen. Deutschlands neue Außenministerin sollte einmal darlegen, wohin ihre wertegeleitete Politik führen soll, und dabei einbeziehen, wie beliebig der Westen mit solchen Menschenrechtswerten je nach Interessenlage selbst umgeht. Das Völkerrecht als Maßstab zu nehmen, wäre kein schlechter Tipp.

Nun hat Putin Sicherheitsgarantien verlangt – weiß aber natürlich, dass sie ihm nicht geschenkt werden. Erst neulich forderte er, die Nato solle sich auf die Positionen von 1997 zurückziehen, als die Osterweiterung Richtung Russland begann. Ein guter Vorschlag, der allerdings zwei Anmerkungen verdient. Ersten gehört zur Glaubwürdigkeit, dass sich dann auch Russland auf die Positionen von 1997 zurückzieht, als die Krim noch zur Ukraine gehörte und Abchasien und Südossetien ganz oder weitgehend zu Georgien.

Und zweitens wäre ein solcher Nato-Rückzug nicht über die Köpfe der Länder hinweg zu bewerkstelligen, die sich die Nato-Truppen und -Mitgliedschaft gewünscht hatten. Washington, Brüssel und Moskau entscheiden über Warschau, Riga und Bukarest – das wäre eine Art neuer Kolonialpolitik. Es ist höchste Zeit für eine internationale Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit, bei der alle Parteien am Tisch sitzen. Auch Russland und China. Auf Augenhöhe und ohne Drohgebärden.

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