Piks, wo sonst getanzt wird

Im »Sage Beach«-Club startet einwöchige Impfaktion von Berliner Kulturorten für mindestens 4500 Menschen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 5 Min.

Nein, im »Sage« sei er vorher noch nie gewesen, sagt Christian Deutsch am Montagvormittag zu »nd«. Er hat sich gerade vor dem Eingang des zum Club gehörenden Restaurants »Sage Beach« in der Köpenicker Straße in eine Schlange gestellt. Es riecht noch ein wenig nach kalter Asche und Glühwein, eine Erinnerung an die Arbeit des Berliners, der selbst in der Veranstaltungsbranche tätig ist und Bühnen mit Videoinstallationen gestaltet. Er ist aber an diesem Tag nicht hierher gekommen, um zu ungewöhnlicher Stunde Clubatmosphäre zu genießen. Er will sich seine dritte Impfung abholen, für die er vor zwei Tagen einen Termin gebucht hat. »Eigentlich hatte ich einen Termin für Mitte Januar, den sage ich jetzt ab. Ich bin froh, dass es dieses Angebot gibt.« Es sollten noch viel mehr sein, meint Deutsch. »Wenn Angebote da sind, werden sie auch genutzt«, meint er. Das gelte für das Testen wie das Impfen.

4500 Impfungen sollen in dieser Woche in den Clubs »Klunkerkranich«, »about blank«, »Mensch Meier« und eben »Sage Beach« stattfinden, das hatte die Clubcommission, das Netzwerk für Berliner Clubkultur, kürzlich mitgeteilt. Egal ob die erste, zweite oder dritte Impfung als Auffrischung: Die Aktion richte sich an alle Personen gleichermaßen, egal, ob sie bisher unvollständig oder nicht geimpft sind. Termine können online über das Portal Doctolib gebucht werden - als Impfstoff gibt es Biontech und Moderna. »Verlasst euch auf die Wissenschaft: Drei Impfungen sind der beste Schutz für die kommenden Wochen, auch wenn ihr jung und gesund seid«, heißt es von der Clubcommission dazu am Montag.

Auch eine junge Frau aus Tempelhof, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat sich auf den Weg nach Kreuzberg gemacht. Sie habe gestern erst nach einem Termin für ihre dritte Impfung geschaut und dann sofort gebucht, in den Impfzentren sei dies erst Ende Januar wieder möglich, berichtet sie. Er habe mit 80 bis 90 Impfungen gerechnet sagt der Impfassistent, der ihr gerade den Anamnesebogen reicht, aber es deute sich schon eine Stunde nach Beginn der Aktion an, dass es deutlich mehr sein würden, meint er und entschuldigt sich, dass er schnell wieder hinein muss.

Bei 75,1 Prozent liegt die Quote der Erstimpfungen in der Hauptstadt am Montag nach den Feiertagen, an denen nicht wenige Menschen augenscheinlich die Gelegenheit genutzt haben, sich gegen die schwere Krankheit immunisieren zu lassen. Kurz nach dem Jahreswechsel sind die Impfzahlen verlässlicher als die der Infektionen, die die bezirklichen Gesundheitsämter melden sollen - aber damit beileibe nicht hinterherkommen.

Ganze drei Bezirke hatten für Sonntag aktuelle Zahlen geliefert. Demnach gab es in Neukölln, Spandau und Treptow-Köpenick einige Dutzend Infektionen. Zum Jahreswechsel sei mit einer geringeren Test- und Meldeaktivität zu rechnen, hatte der Senat erklärt. »Die dargestellten Fallzahlen haben somit eine begrenzte Aussagekraft«, hieß es. Die Inzidenz für Berlin ist dennoch leicht gestiegen und lag am Montag bei 265. Demgegenüber sinkt die Belegung von Intensivbetten mit Coronapatient*innen weiter. Das Robert Koch-Institut meldete für Montag 180 bestätigte Omikron-Fälle.

Die Fallzahlen werden noch immer aufwendig und langwierig per Faxgerät weitergegeben. Die Gesundheitsverwaltung erklärte auf Nachfrage, dass die Gesundheitsämter über die Feiertage nicht alle Fälle hätten melden können, hinge auch damit zusammen, »dass an den Feiertagen die Arztpraxen geschlossen waren, keine Testung am Arbeitsplatz oder in der Schule stattfand, und auch die Labore eingeschränkt arbeiteten«. Die Pandemie zeige, wie wichtig der öffentliche Gesundheitsdienst für die Gesundheit aller ist, hieß es weiter. Deshalb sei ein wichtiges Ziel der neuen Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne), »den öffentlichen Gesundheitsdienst für die Gesundheit aller zu stärken«.

Generell hoffe man sehr, »dass die Geschehnisse der letzten Zeit und aktuelle Geschehnisse dazu beitragen werden, das deutsche Gesundheitswesen zu digitalisieren, damit die Daten ständig verfügbar sind«, hatte in der vergangenen Woche der Charité-Vorstandsvorsitzende Heyo Kroemer dazu erklärt. Dies sei »eigentlich eine Selbstverständlichkeit«. »Man muss leider sagen, dass seit dem letzten Jahr, wo wir ja um die gleiche Zeit in einer ähnlichen Situation waren, noch nicht die Durchbrüche erzielt worden sind«, ließ Kroemer deutlich Kritik erkennen.

Für die täglichen Coronatests zum Schulstart nach den Weihnachtsferien gibt es hingegen viel Zustimmung. Aus dem Kreis von Berliner Schulleitern kommt allerdings die Forderung, es nicht bei einer Woche zu belassen. »Fünfmal wöchentlich testen trägt dazu bei, dass die Lage an den Schulen sicher ist, auch bei vollem Betrieb«, sagte der Vorsitzende der Vereinigung der Oberstudiendirektorinnen und Oberstudiendirektoren des Landes Berlin, Arnd Niedermöller, am Montag. »Ich würde es auch begrüßen, wenn diese Testung noch eine Woche weitergeht«, ergänzte der Schulleiter des Immanuel-Kant-Gymnasiums in Lichtenberg.

Auch die Gewerkschaft GEW hatte sich dafür ausgesprochen, nicht nur in der ersten Woche nach den Ferien tägliche Coronatests anzubieten. Die Bildungsverwaltung hatte angekündigt, ab der zweiten Woche wieder nur drei wöchentliche Tests durchzuführen.

Schulleiter Arnd Niedermöller findet es richtig, am Unterricht in den Schulen festzuhalten: »Dass wir in Präsenz starten, halte ich für sehr sinnvoll.« Vor Weihnachten sei das Infektionsgeschehen an den Schulen außerdem deutlich abgeflacht, sagte Niedermöller. Falls es notwendig werden sollte, sei das Umschwenken auf Wechselunterricht möglich, aber aufwendig.

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