Königin der Schmerzen

Der Film »Spencer« zeigt drei Tage aus dem Leben von Prinzessin Diana – drei Tage im Gefängnis von Sandringham House

  • Gabriele Summen
  • Lesedauer: 4 Min.
Hinter den Gardinen Muff von 1000 Jahren. Ohne Reim, aber trotzdem wahr.
Hinter den Gardinen Muff von 1000 Jahren. Ohne Reim, aber trotzdem wahr.

Eines ist sicher: Die Queen wird höchstwahrscheinlich not amused über den Film des Chilenen Pablo Larraín sein. Sein Drama »Spencer« handelt von der Prinzessin der Herzen, Lady Di, die mit bürgerlichem Namen Diana Spencer hieß. Der Regisseur von »Jackie«, der ein Faible für von den Medien verfolgte tragische Frauengestalten zu haben scheint, bezeichnet seinen Film im Vorspann als eine von einer wahren Tragödie inspirierte Fabel. Im Anschluss nimmt er sich die künstlerische Freiheit, größtenteils über die geistige Verfassung Dianas zu spekulieren – als die Märchenprinzessin 1991 drei Tage mit der königlichen Familie in Sandringham House in Norfolk verbringt. In diesen Tagen beschließt sie, ihre Verbindung mit Prinz Charles zu lösen.

Lady-Di-Fans seien also ausdrücklich gewarnt: In diesem Drama, in dem Kristen Stewart – auf den ersten Blick perfekt – die Wiedergängerin der ehemaligen Kindergärtnerin mit der unglaublichen Fönfrisur und der extravaganten Kleidung mimt, erfährt man kaum etwas über ihr wahres Wesen. Da ist man bei der Netflix-Serie »The Crown« schon besser aufgehoben.

Das riesige, königliche Anwesen durch das eine ständig den Tränen nahe Prinzessin irrt, spielt die heimliche Hauptrolle in dem Drama »Spencer«. Unheimlich wie in Haunted-House-Filmen, etwa »The Shining«, schleppt sich die unglückliche Ehefrau einsam und völlig verloren durch die Gänge des Hauses. Ihren Ehemann, Prinz Charles (Jack Farthing), der die Dreistigkeit hatte, seiner Geliebten Camilla Parker Bowles genau die gleiche auffällige Perlenkette zu schenken wie ihr, bekommt sie erst nach einer Stunde Laufzeit zu Gesicht.

Die Gemächer teilen die Eheleute schon lange nicht mehr. Einzig »gestohlene« Momente mit ihren Söhnen oder kurze Gespräche mit Küchenchef Darren (Sean Harris) und ihrer – erfundenen – Lieblingsgarderobiere Maggie (Sally Hawkins), die Charles jedoch schon bald wegschickt, lassen sie von ihrer persönlichen Albtraumspirale verschnaufen. Mit der Queen (Stella Gonet) unterhält sich Diana nur einmal kurz und schmerzvoll, ansonsten begnügt sich ihre Majestät damit, ihr missbilligende Blicke zuzuwerfen. Und die hat Diana Spencer sich – gemessen an royalen Maßstäben – mehr als verdient: Die junge Frau hat weder Lust, sich wiegen zu lassen, um zu überprüfen, ob sie – wie es die alberne Tradition verlangt – drei Pfund beim Weihnachtsgelage zugenommen hat, noch mag sie die zurechtgelegten Kleider in der streng geregelten Reihenfolge anziehen. Ständig kommt sie zu spät, und die erlesenen Speisen erbricht die unter Bulimie leidende Diana gleich wieder auf dem königlichen Klo. Außerdem zieht sie die Vorhänge nicht zu, wenn sie sich umzieht, sodass Paparazzi die Möglichkeit hätten, einen privaten Blick auf sie zu erhaschen.

Alles was die Princess of Wales tut, wird als hochpolitischer Affront betrachtet. Eine naive Frau in den Mühlen einer unter ihren überkommenen Traditionen ächzenden Institution, die keiner mehr braucht. Als hätte die Menschheit keine anderen Probleme, denkt man zuweilen.

Die Kameraarbeit von Claire Mathon – die auch schon das »Porträt einer jungen Frau in Flammen« meisterhaft in Bildern festgehalten hat – setzt die albtraumhafte Wahrnehmung der Leinwandprinzessin, die zunehmend depressiver und paranoider wird, allerdings herausragend in Szene. Ein paar Mal begegnet Diana in ihrem Wahn, der vom Sicherheitschef Major Alistair Gregory (Timothy Spall) noch geschürt wird, sogar Anne Boleyn, Ehefrau Heinrichs VII., die zu ihrer Zeit wegen angeblichen Ehebruchs und Hochverrats enthauptet wurde.

Auch der Score von Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood ist großartig, dennoch muss man dem Film vorwerfen – Fabel hin oder her –, dass er die bürgerliche Diana, die in das Getriebe des britischen Königshauses geriet, als mehr oder weniger hysterische junge Frau darstellt, und man fragt sich, wie viel Paparazzo eigentlich in uns steckt, wenn wir einen Film anschauen, der am Ende doch recht klischeehaft über ihr Wesen und ihren Geisteszustand spekuliert. Lassen wir diese, nicht zuletzt an der ständigen Medienaufmerksamkeit zerbrochene, Frau die mit Sicherheit mehr war als die Königin der Schmerzen, doch endlich in Frieden ruhen. Die unsinnige parlamentarische Monarchie muss auf anderem Wege gestürzt werden.

»Spencer«: Deutschland, Vereinigtes Königreich 2021. Regie: Pablo Larraín, Drehbuch: Steven Knight. Mit: Kristen Stewart, Timothy Spall, Jack Nielen. 117 Min. Jetzt im Kino.

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