Von Baugruben und ungeräumten Wegen

Immobilien und Verkehrssicherungspflicht

  • Lesedauer: 5 Min.

Dabei geht es um die Abwehr von Gefahren, die für andere Menschen (Passanten, Besucher) entstehen könnten - sei es durch Baugruben, ungeräumte Wege oder morsche Treppen. In vielen dieser Fälle drohen erhebliche zivilrechtliche Forderungen, wenn sich jemand verletzt hat.

Der Infodienst Recht und Steuern der LBS hat einige Urteile deutscher Gerichte zu diesem Themenkreis gesammelt.

Auf fremden Wegen

Es ist nur menschlich, wenn man als Fußgänger auf seinen Wegen durch die Stadt Abkürzungen nimmt, die sich einem gerade bieten. Allerdings sollte man nicht allzu leichtfertig damit umgehen. Wer nämlich auf Privatgelände ausweicht, wenn auch geduldet, um schneller voranzukommen, der tut sich nach einem Unfall schwer damit, Schadenersatz und Schmerzensgeld einzufordern.

Das Oberlandesgericht Hamm (Az. I-6 U 178/12) verweigerte einem Mann, der auf dem Weg über einen privaten Garagenvorplatz auf Glatteis ausgerutscht war, die geforderten 10 000 Euro Schmerzensgeld. Für den Eigentümer habe hier keine Streupflicht bestanden.

Das unsichere Loch

Wer Erdlöcher aushebt, der trägt auch die Verantwortung für deren Absicherung. Eine Eigentümergemeinschaft wollte die Pflanzinseln in einer Anlage mit mehreren Gebäuden neu gestalten. Dazu wurden drei Bäume ausgegraben. Der Freiraum sollte bald danach neu bepflanzt werden. Es blieben aber Gruben mit einer Tiefe von 10 bis 15 Zentimetern Tiefe zurück, in die eine Bewohnerin trat und sich verletzte.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Az. 7 U 128/18) sprach ihr 1500 Euro statt der geforderten 5000 Euro zu. Denn die Frau treffe ein erhebliches Mitverschulden, weil sie das Loch bei entsprechender Aufmerksamkeit hätte erkennen können.

Auf die Schilder achten

Von Passanten darf man erwarten, dass sie Warn- und Verbotsschilder beachten. Wenn ein Radfahrer trotz erkennbarer Hinweise in eine Baustelle fährt, dann hat er keinen Anspruch auf Schadenersatz, und der Verantwortliche für die Baustelle hat seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt.

So entschied es das Oberlandesgericht Hamm (Az. I-9 U 135/13) in einem entsprechenden Fall. Die Richter kamen zu der Überzeugung, dass die aufgestellten Schilder und Abwehrschranken einen ausreichenden Schutz dargestellt hätten. Dass sich allerdings jemand darüber hinwegsetze, damit müsse der jeweils Verantwortliche nicht rechnen.

Ordnung auf der Baustelle

Auf einer Baustelle geht es nicht immer geordnet zu. Es liegen Baumaterial und Werkzeuge herum. So war es auch, als an der Grenze zweier Grundstücke eine Mauer errichtet wurde. Die Nachbarin wollte kurz mit ihrem Nachbarn, dem Auftraggeber, sprechen und begab sich zu diesem Zweck an diesen Gefahrenort. Prompt stürzte sie über einen Schaufelstiel, brach sich einen Oberarmknochen und forderte Schmerzensgeld, dessen Höhe sie ins Ermessen des Gerichts stellte.

Doch ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm (Az. 6 U 18/17) sprach der Nachbarin keine Entschädigung zu. »Bereits mit beiläufigem Blick« wäre es leicht erkennbar gewesen, dass hier eine »besonders vorsichtige Gehweise« erforderlich sei. Dem habe die Betroffene, die die Baustelle immerhin freiwillig betrat, aber nicht entsprochen.

Treppenstufen sind eine Stolperfalle

Eine besonders häufige Stolperfalle stellen Treppenstufen im Hauseingangsbereich dar. Deswegen steht der Eigentümer in einer besonderen Verpflichtung, das Unfallrisiko so weit wie möglich zu mindern. Eine etwa zehn Zentimeter hohe Treppenstufe stellt aber noch keine Gefahrenstelle dar, die beseitigt werden müsste.

So urteilte das Oberlandesgericht Hamm (Az. 7 U 76/19). Selbst in der Morgendämmerung sei der Stufenstein optisch noch genügend abgesetzt. Bei gebotener Sorgfalt habe man ihn erkennen können.

Mobile Schilder schnell entfernen

Wer mobile Verkehrsschilder aufstellt oder diese aufstellen lässt, die auf eine Baustelle hinweisen, der sollte auch für deren rechtzeitige Entfernung sorgen. Eine Baufirma, die im Auftrag einer Gemeinde arbeitete, hatte das allerdings nicht getan, so dass besagtes Schild noch Wochen nach den Arbeiten im Wege stand.

Ein Radfahrer fuhr bei Nieselregen und schlechter Sicht auf das mobile Schild auf, das umgefallen war. Dabei verletzte er sich ganz erheblich.

Das Oberlandesgericht Schleswig (Az. 7 U 260/19) erkannte hier eine Amtspflichtverletzung, weil das Schild als potenzielle Gefahrenquelle nicht zeitnah entsorgt worden sei. Gleichzeitig aber, so urteilten die Richter in diesem Fall, treffe auch den Radfahrer ein nicht unerhebliches Mitverschulden. Denn das schlechte Wetter hätte von ihm ohnehin eine erhöhte Aufmerksamkeit und Umsicht erfordert. Als Vergleichssumme schlugen die Oberlandesrichter eine Zahlung von 1000 Euro Schmerzensgeld an den Radfahrer vor, der den Vergleich annahm.

Unterm Klapptor der Tiefgarage

Wenn eine Tiefgarage nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich ist, dann besteht die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters auch nur in einem begrenzten Umfang. Eine Pkw-Halterin war beim Fahren mit ihrem Auto aus der Garage unter das sich schließende Kipptor geraten, weil sie, wie sie vor Gericht erklärte, einem anderen Fahrzeug ausweichen wollte.

Das Amtsgericht München (Az. 454 C 28946/12) sprach der Autofahrerin jedoch keinen Schadenersatz zu. Sie wohne schon seit zwei Jahren in der Anlage und müsse also mit der Funktionsweise des Garagentores hinreichend vertraut gewesen sein.

Schnee und Eis in der Silvesternacht

Ein Klassiker der Verkehrssicherungspflicht ist in jedem Jahr im Winter das Räumen von Bürgersteigen von Schnee und Eis. Vor allem geht es um die Frage, zu welchen Zeiten die Eigentümer von Wohngrundstücken aktiv werden müssen.

Das Kammergericht Berlin (Az. 21 U 16/18) entschied, dass in einer Gegend ohne erhöhten Publikumsverkehr auch in der Silvesternacht die Räumpflicht um 20 Uhr enden könne. Hier sei ein privates Grundstück betroffenen gewesen, das man wahrlich nicht mit besonders frequentierten Orten vergleichen dürfe. LBS/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal