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  • Katja Karger und Nele Techen

DGB Berlin-Brandenburg wählt weibliche Spitze

Katja Karger und Nele Techen sollen regionalen Gewerkschaftsdachverband in kommenden Jahren leiten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg (DGB) stellt sich personell neu auf. Bei einem hybriden Gewerkschaftskongress im Abacus Tierpark Hotel in Berlin-Lichtenberg wurde Katja Karger (verdi) mit 94,7 Prozent der Stimmen zur neuen Bezirksvorsitzenden und Nele Techen (IG Metall) mit 97,8 Prozent der Stimmen zur stellvertretenden Vorsitzenden des DGB Berlin-Brandenburg gewählt. Christian Hoßbach, der den DGB seit 2018 in der Region als Vorsitzender geführt hatte, war nicht wieder zur Wahl angetreten.

»Ich bekomme die Chance, mit dem DGB Berlin-Brandenburg neu zu starten«, sagte die neue Vorsitzende Katja Karger. Nach einigen Jahren an der Spitze des Hamburger DGB kehrt Karger, die viele Jahre in den 1990er Jahren in Berlin gelebt und gearbeitet hatte, in die Hauptstadt zurück. Die Tochter eines Stahlarbeiters und einer Gewerkschafterin aus dem Öffentlichen Dienst wurde bereits als Kind von ihren Eltern mit zu Demonstrationen genommen, auf denen Hannes Wader gespielt wurde, wie sie in ihrer Bewerbungsrede erzählt. Karger verbindet ihre Kandidatur mit einer Kampfansage: »Die ganzen Betriebe von Gorillas und Co werden wir nicht von der Angel lassen«, kündigt sie an. Die Gewerkschafterin hatte bereits zur Jahrtausendwende in einem Unternehmen der damaligen sogenannten New Economy einen Betriebsrat erstritten, den ersten den es seinerzeit in der Branche gab. Was die bevorstehenden weitgehenden Änderungen in der Wirtschaft, dem Klimawandel und der Pandemie-Überwindung angeht, will die neue DGB-Bezirksvorsitzende klar für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Position beziehen: »Es dürfen nicht nur die Beschäftigten die Zeche zahlen – wir dürfen niemanden zurücklassen.« Angesichts der aktuellen Proteste gegen die Eindämmungsmaßnahmen erklärte Karger, dass für sie »der Widerstand gegen Nazis und Querdenker und andere Demokratiefeinde« zu den wichtigsten Aufgaben als Gewerkschafterin zählen. Als »roten Leitfaden« bezeichnete die neue Vorsitzende, dass sie »Klimaschutz, die Energiewende mit guter Arbeit« verbinden wolle. »Die Transformation muss sozial und ökologisch sein.« Bei den beiden Landesregierungen in Berlin und Brandenburg würden die Koalitionsverträge dazu Anknüpfungen bieten, hieß es.

Als Stellvertreterin an der Seite von Katja Karger wurde Nele Techen gewählt. Die 53-jährige Gewerkschafterin hat vielfältige Erfahrungen in der regionalen IG Metall und bei DGB gesammelt. Mit der wirtschaftlichen Struktur in der Region, dem bevorstehendem Wandel in der Lausitz in Brandenburg und darüber hinaus kennt sie sich bestens aus. In verschiedenen Funktionen hat sie die sogenannte Transformation, etwa in der Industrie, aus eigener Erfahrung erlebt. »Mit Personalabbau und Schließungen werden wir uns auseinandersetzen müssen«, sagt sie. Gegebenenfalls auch in sogenannten Abwehrkämpfen.

Sowohl Karger als auch Techen kündigen an, dass sie die neue Aufgabe als »Team« angehen wollen. »Lasst uns ein Orchester sein – vielstimmig, aber aufeinander abgestimmt«, appelliert Karger in ihrer Rede an die 98 Delegierten, die zum Teil vor Ort am Versammlungssaal und zum Teil digital zugeschaltet sind. Dass der regionale DGB künftig mehr als Team auftreten will, könnte damit zutun haben, dass es in den vergangenen Jahren offenbar nicht immer konfliktfrei lief.

Gar von »Rissen« im Dachverband, in dem insgesamt acht Einzelgewerkschaften vertreten sind, sprach ein Redner, die es nun zuzumachen gelte. Der scheidende Bezirksvorsitzende Christian Hoßbach sagt, dass der Bezirksverband des DGB in den vergangenen Jahren von einer »Menge Abgänge« betroffen gewesen sei. So wechselte beispielsweise Hoßbachs ehemalige Stellvertreterin Sonja Staack bereits vor Ablauf ihrer Amtszeit zu einem Posten bei ver.di.

Der Neustart an der Gewerkschaftsspitze wurde unterdessen am Samstag von der politischen Seite aus begrüßt. »Mir ist es wichtig, dass es eine enge Zusammenarbeit gibt«, erklärt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) in einem Grußwort im Veranstaltungssaal. Es sei gerade in der Coronakrise wichtig, dass die Gewerkschaften stark seien, so Giffey. Dass in Berlin lediglich 44 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Verhältnissen arbeiten, findet auch die Senatschefin viel zu wenig. Die Regierende erklärt auch, dass Rot-Grün-Rot dafür stehe, die Themen beste Wirtschaft und gute Arbeit zu verknüpfen. Man wolle den Industriestandort stärken und die Fachkräftesicherung und die Ausbildung gemeinsam voranbringen.

Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und der DGB-Bundesvorsitzende Reiner Hoffmann nahmen an der Basiskonferenz am Samstag teil. Woidke sagte im Hinblick auf die anstehenden Herausforderungen: »Die Transformationen der Industrie ist eine riesige Aufgabe, wo man eine Fidel-Castro-Rede halten könnte, um alle Facetten zu beleuchten.« Bei diesen Prozessen müssten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitgenommen werden, damit es gelingt. Auch Hoffmann erklärte. dass die Transformation und die Energiewende alles andere als »trivial« seien. Menschen müssten qualifiziert werden und dürften nicht »zu jedem Preis in Arbeit gedrängt werden«.

Für die neuen Vorsitzenden heißt das auch, dass die Gewerkschaften in der Region stark bleiben müssen. Im Vergleich zu früher gibt es massive Mitgliederverluste. Die neue weibliche Doppelspitze dürfte deshalb auch als Signal zu verstehen sein, sich diverser aufzustellen und attraktiver zu werden. Die DGB-Gewerkschaften hatten 2020 im Bezirk insgesamt 345 375 Mitglieder, davon 213 253 in Berlin und 132 122 in Brandenburg.

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