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AfD-Vertreter fallen durch

Bezirksamtsposten in vier Berliner Bezirken nach wie vor nicht besetzt, weil Kandidaten keine Mehrheit finden

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen waren für die AfD in Berlin ein Desaster. Auf acht Prozent war die extrem rechte Partei abgestürzt (minus 6,2 Prozent). Auch in den Bezirken ließ die AfD ordentlich Federn. Nach den Wahlergebnissen vom 26. September 2021 steht der AfD theoretisch in vier Bezirken das Recht zu, einen Stadtrat oder eine Stadträtin zu nominieren. Das sind Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Spandau und Treptow-Köpenick. Nominierte Kandidat*innen werden allerdings nicht automatisch Stadträte. Dazu benötigen sie eine Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV).

Bisher sind in allen vier Bezirken die AfD-Wahlvorschläge durchgefallen. Die Folge: Diese Bezirksämter arbeiten in verminderter Besetzung. Andere Stadträtinnen oder Stadträte müssen das für die AfD reservierte Ressort mit verwalten. Und in Lichtenberg und Spandau sieht es danach aus, dass das fünf Jahre lang der Fall sein könnte. In Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick ist die Situation dagegen unklar.

AfD-Kandidaten nicht in Ausschuss gewählt

Die beiden Personalvorschläge der Alternative für Deutschland (AfD) für den Verfassungsschutzausschuss im Abgeordnetenhaus fielen jüngst durch. »Wir haben uns die Kandidaten angeguckt und fanden sie ungeeignet«, sagt der Innenexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schrader, zu »nd«. »Ich finde es gut, dass wir eine demokratische Einigkeit erzielen konnten«, betont Schrader. Die extrem rechte Partei selbst empörte sich über die Nichtwahl ihrer Abgeordneten. »Unsere Wähler haben Anspruch darauf, dass die von ihnen gewählte Partei in vollem Umfang in die Parlamentsarbeit eingebunden ist«, sagte die Fraktionschefin der AfD, Kristin Brinker.

Dass die AfD keinen Vertreter in den Verfassungsschutzausschuss entsenden kann in dieser Legislatur, ist eine neue Entwicklung. In den vergangenen fünf Jahren war sie in dem Ausschuss, in dem auch hochsensible Geheimdienstinformationen geteilt werden, vertreten.

Wie zu hören ist, schauen sich die demokratischen Fraktionen im Abgeordnetenhaus die Entwicklung der AfD im Landesparlament genau an. Gemeinhin, so wird auch von externen Beobachtern konstatiert, gilt die AfD auch in Berlin inzwischen als »flügeldurchsetzt«, das heißt, der Einfluss des formal aufgelösten extrem rechten »Flügels« der Partei ist zuletzt gewachsen. Ob AfD-Vertreter auch nicht in andere Ausschüsse gewählt werden, wird sich zeigen. Noch am Montag wollte sich Rot-Grün-Rot auf einen strategischen Umgang mit der AfD verständigen. Ergebnisse hierzu lagen bis Redaktionsschluss dieses Artikels allerdings noch nicht vor. mkr

In der letzten Legislaturperiode stellte die AfD in insgesamt sieben Bezirken Stadträte. Das waren neben den vier genannten auch Pankow, Reinickendorf und Neukölln. Allerdings trat der in Neukölln von der AfD nominierte parteilose Stadtrat 2018 in die CDU ein. In allen diesen Bezirken waren die demokratischen Parteien darauf bedacht, der AfD Ressorts zuzuweisen, in denen sie wenig Schaden anrichten konnte. Das waren in der Regel die Ressorts Ordnung und Gesundheit. Bei Letzterem sollte sich diese Annahme allerdings als trügerisch erweisen - niemand hatte 2016 damit gerechnet, dass ein Gesundheitsstadtrat eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung einer Pandemie spielen müsste.

In Lichtenberg hat der bisherige AfD-Stadtrat Frank Elischewski in drei Wahlgängen versucht, erneut Stadtrat zu werden. Dabei bekam er jeweils nur geringfügig mehr Stimmen als die sieben, die die AfD-Fraktion aufbringen kann. SPD-Bezirkschef Erik Gührs sagt, dass seine Partei keinen AfD-Kandidaten wählen werde. Die SPD habe bundesweit ein klares Bekenntnis abgegeben, der AfD für ihre Wahlvorschläge keine Stimmen zu geben. »So wurde es in der Vergangenheit gehalten, und so gilt es auch für die Zukunft. Wir sind dazu in Gesprächen mit den anderen demokratischen Parteien«, sagt Gührs zu »nd«. Auch Die Linke lehnt es ab, einen AfD-Stadtrat zu wählen.

Eine ähnliche Haltung gibt es in Spandau, Die grüne Fraktionsvorsitzende Dara Kossok-Spieß sagt, ihre Fraktion und nach ihrer Kenntnis auch andere demokratische Fraktionen werden nicht nur den gegenwärtigen Personalvorschlag der AfD, Andreas Otti, nicht unterstützen, sondern auch niemand anderen, den die AfD möglicherweise noch nominieren könnte. »Herr Otti war als Stadtrat eine Vollkatastrophe. Und wir Grüne werden einen Vertreter einer Partei immer ablehnen, die man faschistisch nennen darf.« Bisher ist Otti im mehreren Wahlgängen klar durchgefallen.

Komplizierter ist es unterdessen in Marzahn-Hellersdorf. Hier scheiterte die AfD bisher an sich selbst. Die von ihr ursprünglich nominierte Stadtratskandidatin zog ihre Kandidatur kurzfristig zurück. Ein neuer Kandidat konnte sich erst im Dezember der bisher einzigen Abstimmung stellen. Dabei erhielt er nicht einmal so viele Stimmen, wie die AfD Mandate in der BVV hat.

Doch in Marzahn-Hellersdorf sind sich die demokratischen Parteien uneinig, wie sie mit der AfD umgehen sollen. Der SPD-Abgeordnete Jan Lehmann forderte die AfD per Presseerklärung auf, »endlich eine geeignete Person für das Bezirksamt« vorzuschlagen, einen »akzeptablen, konsensfähigen Kandidaten«. Er beklagt, dass das Bezirksamt immer noch nicht vollständig besetzt sei. Denn dort gebe es »wahrlich genug zu tun«.

Das sieht der dortige Linksfraktionschef Björn Tielebein anders. »Wie soll die AfD denn zu einem überparteilich akzeptierten Kandidaten kommen? Meine Fraktion wird keinem Wahlvorschlag der AfD ihre Stimme geben«, betont Tielebein. In den letzten fünf Jahren habe die AfD nur Hass geschürt und nicht für ein demokratisches Miteinander gestanden, erklärt der Linksfraktionschef. In Treptow-Köpenick absolvierte der bisherige AfD-Stadtrat Bernd Geschanowski bislang drei Wahlgänge. Bei einer großen Zahl an Enthaltungen war die Zahl der Nein-Stimmen nur geringfügig höher als die der Ja-Stimmen, sodass es theoretisch möglich ist, dass er in einem weiteren Wahlgang als Stadtrat gewählt werden könnte. Philipp Wohlfeil, der Vorsitzende der Linksfraktion in der BVV, spricht von einem differenzierten Meinungsbild, das nicht entlang der Parteigrenzen, sondern mitten durch die demokratischen Fraktionen verläuft. »Die einen sehen grundsätzlich jeden AfDler für unwählbar an. Andere halten Geschanowski für das kleinere Übel gegenüber anderen AfDlern und wollen die AfD nicht in die Opferrolle drängen. Sie wollen vielmehr durch Stimmenthaltung ermöglichen, dass er sich in der Realpolitik ausprobieren soll. Seine bisherige Amtsführung hat ja nicht dazu geführt, dass mehr Menschen die AfD gewählt haben.«

Die AfD-Landesvorsitzende Kristin Brinker spricht derweil von einem »undemokratischen Vorgang«, wenn »die anderen Parteien berlinweit die Wahl der uns zustehenden Bezirksstadträte verhindern«. Damit werde aus ihrer Sicht »von hinten - quasi durch die kalte Küche« ein politisches Bezirksamt durchgesetzt. »Die Fraktionen von CDU bis Linke begeben sich damit nicht nur aus demokratischer Sicht, sondern auch juristisch auf sehr dünnes Eis.« Die AfD werde an ihren Kandidaten festhalten, so Brinker.

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