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Es wird weiter überbrückt

Der Bund greift durch die Coronakrise angeschlagenen Firmen noch mindestens bis Ende Juni unter die Arme

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Kleine Friseursalons gehörten zu den Betrieben, die auf die staatlichen Coronahilfen besonders angewiesen waren.
Kleine Friseursalons gehörten zu den Betrieben, die auf die staatlichen Coronahilfen besonders angewiesen waren.

Kaum hatten Bund und Länder verkündet, dass im März nahezu alle Corona-Einschränkungen fallen sollen, verkündete Bundesfinanzminister Christan Lindner, für die Wirtschaft bleibe alles beim Alten. »Den Betrieben, die nach wie vor von Umsatzeinbrüchen betroffen sind, stehen wir mit einer befristeten Verlängerung der Wirtschaftshilfen nochmals zur Seite«, teilte der FDP-Politiker vergangene Woche der Öffentlichkeit mit. Corona-Wirtschaftshilfen werden erst einmal bis zum Sommer verlängert.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Das heißt auch, die Politik bedient sich weiter aus einem unübersichtlichen Werkzeugkasten. So gibt es spezielle Härtefallhilfen, steuerliche Hilfen, KfW-Programme, Bürgschaften und Garantien sowie einen Sonderfonds für Kulturveranstaltungen. Das wichtigste bis Ende Juni verlängerte Programm ist die »Überbrückungshilfe IV«. Unternehmen erhalten weiterhin eine anteilige Erstattung von Fixkosten. Zusätzlich können Unternehmen, die im Rahmen der Corona-Pandemie besonders schwer betroffen sind, einen Eigenkapitalzuschuss erhalten.

Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist weiterhin ein coronabedingter Umsatzrückgang von 30 Prozent im Vergleich zum Referenzzeitraum 2019. Der maximale Fördersatz - dazu muss der Umsatz um mehr als 70 Prozent zurückgegangen sein - beträgt 90 Prozent der »förderfähigen« Fixkosten. So können weiterhin Miete oder Pacht, Zinsaufwendungen für Kredite, Ausgaben für Instandhaltung und Versicherungen geltend gemacht werden.

Ebenfalls fortgeführt wird die aus Sicht der Bundesregierung »bewährte« Unterstützung von sogenannten Soloselbstständigen. Mit der »Neustarthilfe 2022 Zweites Quartal« können diese pro Monat bis zu 1500 Euro erhalten, insgesamt für den nun verlängerten Förderzeitraum April bis Juni 2022 also bis zu 4500 Euro.

Diese Neustarthilfe richtet sich an die vielen Betroffenen, die zwar coronabedingte Umsatzeinbußen verzeichnen, aber aufgrund minimaler Fixkosten kaum in den Genuss der Überbrückungshilfe kommen können. Auch befristet oder nicht ständig Beschäftigte können einen Antrag stellen. Selbst Kapitalgesellschaften und Genossenschaften sind unter Umständen antragsberechtigt.

Seit Beginn der Coronakrise wurden laut Bundeswirtschaftsministerium Hilfen für die Wirtschaft in Höhe von offiziell »etwa« 78 Milliarden Euro ausgezahlt sowie 55 Milliarden als Kredit gewährt. Hinzu kommen die Ausgaben für Kurzarbeitergeld. Laut Bundesagentur für Arbeit wurden in den Jahren 2020 und 2021 rund 24 Milliarden Euro für den teilweisen Ersatz des Lohns bei vorübergehendem Arbeitsausfall und 18 Milliarden Euro für Sozialleistungen aus der Kurzarbeit gezahlt. »Diese umfassenden Hilfen haben die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt stabilisiert und ihre Wirkung entfaltet«, heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium von Roland Habeck (Bündnis 90/Die Grünen).

Unterm Strich hatten Politiker und Ökonomen ursprünglich mit deutlich mehr gerechnet. Für den Ampel-Finanzminister Lindner, der eigentlich als Sparkommissar angetreten war, schuf dies daher die Möglichkeit, als erste Amtshandlung Kreditermächtigungen über 60 Milliarden Euro in den Energie- und Klimafonds umzuschichten. Lindners Auslegung der Schuldenbremse ist zumindest rechtlich umstritten.

Auch bei der Verlängerung der Überbrückungshilfen gibt es unterschiedliche Ansichten. Der Freiburger Forscher und Lindner-Berater Lars Feld sowie Ifo-Präsident Clemens Fuest kritisierten bereits die Dauerhilfen. Wenn es keine Einschränkungen mehr gebe, müsse die Politik nichts mehr ausgleichen.

Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel sieht dies anders: »Von einer Erholung des Handwerks, der Gastronomie und anderer Kleinbetriebe kann nicht die Rede sein«, sagte er dem »nd«. Jene müssten nun für einen Neustart fit gemacht werden. Auch seien flankierende Rettungsmaßnahmen volkswirtschaftlich insgesamt billiger als der Exit weiterer Unternehmen.

Kritik hatte es indes auch immer wieder an der Praxis der Corona-Hilfen gegeben. Zu Beginn der Pandemie wurden recht unbürokratisch Hilfen an Selbstständige und Handwerker mit geringen Einkommen ausgezahlt. So wollten Bund und Länder verhindern, dass der Lockdown zu Geschäftsaufgaben führt. Trotzdem wurden offenbar viele zugesagte Rettungsgelder monatelang nicht ausbezahlt.

Inzwischen wird geprüft - allerdings, ob alle wirklich vollen Anspruch hatten. Die Folge sind teils hohe Rückforderungen. Eine Friseurin aus dem badischen Munzingen wandte sich jetzt mit einem emotionalen Hilferuf an den Oberbürgermeister und die Medien. Und in Hamburg hält die Gewerkschaft Verdi die Rückforderungen an Soloselbstständige teils für ungerechtfertigt und bietet ihnen Rechtsschutz an.

Damit Unternehmen und Freiberufler jetzt an die von Lindner angekündigten neuen Überbrückungshilfen kommen, müssen die Ministerien zunächst noch die alten Programme überarbeiten. Dann soll eine Antragsstellung über die Plattform Ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de wieder möglich sein. »Zeitnah«, wie der Minister versichert.

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