- Sport
- Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga
Nichts Gutes im Schlechten
Herthas Fußballer haben Probleme mit ihren Gegnern - der Verein mit seinem Investor
Gemeinhin gilt die Eigenschaft, das Gute im Schlechten zu sehen, als eine positive. Manchmal geht es gar nicht anders, um nicht vorzeitig aufzugeben. Gefährlich kann es werden, wenn diese positive Denkweise zum Selbstzweck verkommt. Beides trifft auf Hertha BSC zu. Damit ist die sportliche Situation des Berliner Bundesligisten beschrieben, der sich als Viertletzter in akuter Abstiegsgefahr befindet. Mindestens ebenso belastend für den Verein ist dessen Gesamtsituation. Herthas 375-Millionen-Investor hat die Eskalation zwischen ihm und dem Fußballklub in der vergangenen Woche auf eine neue, bedrohliche Stufe gebracht.
1:6 - das Ergebnis der Berliner Fußballer vom Sonntagabend gegen RasenBallsport Leipzig ist die dritthöchste Heimniederlage in Herthas Bundesligageschichte und darf demnach zumindest faktisch als ein Tiefpunkt bewertet werden. Natürlich versuchen die Verantwortlichen, die Stimmung im Abstiegskampf leistungsfördernd zu gestalten. Allen voran Trainer Tayfun Korkut. »Das tut uns nicht gut, wird uns aber nicht umhauen«, sagte er nach der Partie am späten Sonntagabend. Und mit einem öffentlichen Lob wollte er seinen Spielern gleich wieder eine Portion Selbstvertrauen in die enttäuschten Köpfe und Körper drücken: »Bis zur 62. Minute haben wir vieles richtig gemacht.«
Die Statistik rechtfertigt Korkuts Sicht der Dinge. Bis zu dieser »spielentscheidenden Szene« stand es 1:1. Der Leipziger Führung nach 20 Minuten durch Benjamin Henrichs folgte drei Minuten nach dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit der Ausgleich durch Steven Jovetic. Und der Torschütze vergab kurz darauf sogar die Möglichkeit, das Spiel zu drehen. Dann kam die 62. Minute: Herthas Marc Oliver Kempf rang Christopher Nkunku im Strafraum nieder. Der Innenverteidiger sah dafür die Rote Karte, der Gefoulte verwandelte den Elfmeter selbst. Mit weitaus weniger Gegenwehr fielen dann die weiteren Leipziger Treffer durch Nkunku, Dani Olmo, Amadou Haidara und Yussuf Poulsen.
Allein die Selbstaufgabe des Teams ist ein alarmierendes Zeichen. Aber auch an der Argumentation von Korkut stimmt einiges nicht. Das Abwehrverhalten war gegen Leipzig von Beginn an schlecht. Weil die Berliner mit einer vorderen Dreierreihe den Spielaufbau stören wollten, genügte dem Gegner oft ein präziser Pass in die Tiefe, um dort genügend Platz zum Fußballspielen zu haben. So fiel das Führungstor, als Henrichs vollkommen frei im Strafraum gleich zweimal abziehen durfte. Derartige Szenen, in denen der Ball nahezu mühelos vor das Berliner Tor und einen frei stehenden Leipziger gelangte, gab es einige. »Wir hätten das 2:0 machen müssen«, befand Trainer Domenico Tedesco später zu Recht.
Ein Geheimnis ist die größte Schwäche von Hertha nicht: Mit 51 Gegentoren aus 23 Spielen bilden die Berliner die zweitschlechteste Defensive der Liga. Auch eine andere Gewissheit war gegen Leipzig zu beobachten: dass sich die spielschwache Hertha gegen stärkere Teams besser behaupten kann. Das bewies beispielsweise der Sieg im Dezember gegen Dortmund. Das zeigte aber auch die Niederlage am vergangenen Wochenende beim Tabellenletzten Greuther Fürth. Oder das magere Remis im Heimspiel zuvor gegen Bochum. Diese beiden Negativerlebnisse wiegen im Abstiegskampf viel schwerer und sagen mehr über den Leistungsstand des Teams als das 1:6 gegen Leipzig.
Eine Mannschaft stärker zu reden, als sie spielt, gehört in manchen Situationen sicherlich zur Aufgabe eines Trainers. Aber Gegenwehr ist das Mindeste, was Tayfun Korkut von seinen Spielern erwarten kann. Vielleicht meinte er auch das, als er davon sprach, sein Team habe »vieles richtig gemacht«. Wie sich Korkut vor seine Mannschaft stellt, so stärkte Sportchef Fredi Bobic am Montag den Trainer. »Er macht das so, wie man sich das in der Situation vorstellt«, sagte er.
Die übergeordnete Aufgabe von Bobic ist es, Ruhe nach innen und außen auszustrahlen. Und so lobte er gleich noch Korkut als Trainer mit einem »klaren Plan«. Ob er daran glaubt? Wirklich Gutes ist im Schlechten nämlich nicht zu erkennen. Fakt ist: Die erhoffte Wende ist mit dem Trainerwechsel Ende November nicht eingetreten. Korkut holte bislang nur neun Punkte aus zehn Spielen, hat einen schlechteren Punkteschnitt als Vorgänger Pal Dardai, und die Mannschaft ist in der Tabelle weiter nach unten gerutscht. Und so könnte man die Worte von Bobic durchaus auch als Rechtfertigung in eigener Sache verstehen. Denn er hat nicht nur den Trainer geholt, auch seine Arbeit auf dem Spielermarkt mit Abgängen und Neuverpflichtungen ist bislang wenig überzeugend.
Mit Blick auf kommende Gegner wie Freiburg, Frankfurt, Mönchengladbach, Hoffenheim und Leverkusen wird die Hoffnung auf Besserung nicht größer. Worauf es jetzt ankommt, formulierte Korkut so: »Wenn man eng zusammenbleibt, kann man auch ein bisschen mehr abbekommen und fällt trotzdem nicht so schnell um.« Von stärkendem Zusammenhalt ist Hertha aber weit entfernt. Denn Lars Windhorst bezeichnet seine Investitionen von 375 Millionen Euro in den Klub mittlerweile als »Fehler«. Förderlich wirkt das bedrohliche Szenario einer ungewissen finanziellen Zukunft schon in der schwierigen Gegenwart nicht. Wie schlimm es um das Betriebsklima bestellt ist, machen Windhorsts Vorwürfe deutlich. »Machterhalt und Klüngelei« seien Antriebsfeder handelnder Personen im Verein, hatte er dem Wirtschaftsmagazin »Capital« gesagt. Es deutet sich ein unschöner Machtkampf an. Man kann sich also auch selber umhauen: Niemand hat Hertha BSC zu einer Partnerschaft mit einem fragwürdigen Investor gezwungen.
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