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Er ist dann mal weg

Hertha BSC entlässt Pál Dárdai und präsentiert Tayfun Korkut als Nachfolger

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Sonntagmorgen sprach Pál Dárdai noch ausführlich über eine Situation in seinem - wie sich inzwischen herausgestellt hat - letzten Spiel als Cheftrainer von Hertha BSC. Der freundliche Ungar analysierte da die Szene in der fünften Minute der Nachspielzeit, als Gegner Augsburg einen umstrittenen Freistoß an der eigenen Eckfahne zugesprochen bekommen hatte. Dass viele Berliner Spieler zum Tatort eilten, sei nicht okay gewesen, befand Dárdai kurz nach der Partie. Tags darauf präzisierte er seinen Gedanken dann: »Es kann sein, dass die Mannschaft ein bisschen aus dem Konzept war - weil alle nach vorn gegangen sind. Da haben einige ihre Positionen ein paarmal verloren. Da bist du raus aus dem Modus.«

Zwei Minuten, nachdem sie ganz ans Ende der Augsburger Spielhälfte gesprintet waren, kassierten die Herthaner auf der anderen Seite den Ausgleich zum 1:1-Endstand. Statt des ersehnten Erfolgs über einen direkten Konkurrenten gab es wieder mal lange Gesichter beim Hauptstadtklub. Und am Montagvormittag war dann der zuständige Bank-Vorsteher raus aus dem Modus: Für Pál Dárdai (45) endete seine zweite Schleife als Hertha-Coach. Und in Tayfun Korkut hatte der Klub auch schon einen Nachfolger parat.

Herthatrainer seit 2015

Februar 2015 - Juni 2019 Pál Dárdai
Juli 2019 - November 2019 Ante Covic
Nov. 2019 - Februar 2020 Jürgen Klinsmann
Februar 2020 - April 2020 Alexander Nouri
April 2020 - Januar 2021 Bruno Labbadia
Januar 2021 - November 2021 Pál Dárdai
seit November 2021 Tayfun Korkut

Der im Stuttgarter Stadtbezirk Bad Cannstatt aufgewachsene Fredi Bobic, seit Juni Sport-Geschäftsführer bei Hertha BSC, holt also einen gebürtigen Stuttgarter nach Berlin. »Tayfun hat in der Vergangenheit schon unter Beweis gestellt, dass er ein Team nicht nur stabilisieren, sondern auch mit seiner akribischen und leidenschaftlichen Arbeit und seiner Idee vom Fußball weiterentwickeln kann«, ließ Bobic verlautbaren. Und Korkut beteuerte: »Ich stecke voller Energie und freue mich sehr auf diese spannende Aufgabe.«

Der 47-jährige Korkut soll mit der Mannschaft, die mit einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsrang mal wieder mittendrin im Schlamassel steckt, auf jeden Fall den Abstieg verhindern. Eine Aufgabe, mit der auch Dárdai, zu dem Zeitpunkt für Herthas U16 zuständig, vor zehn Monaten betraut worden war - allerdings unter deutlich herausfordernderen Umständen.

Dárdai erfüllte die Mission Klassenerhalt, durfte als leitender Fußballlehrer der Alten Dame dann auch in die neue Saison starten. Doch schnell war klar, dass das Verhältnis zwischen dem 61-maligen ungarischen Nationalspieler und Bobic eingetrübt war. Der zähe Transfersommer, an dessen Ende Dardai vor allem seine Vorstellungen über die künftige Besetzung der Flügel unerfüllt sah, sorgte für Spannungen. Ende August gab der frühere Mittelfeldakteur dann einen Einblick in die leidende Übungsleiterseele: »Wahrscheinlich sucht Hertha BSC seit Langem einen großen Trainer. Pál ist ein kleiner, netter Trainer. Er hilft aus, so lange es sein soll«, verbalisierte er sein verletztes Ehrgefühl. Fünfzehneinhalb Jahre kickte Dárdai, im Januar 1997 von BVSC Budapest an die Spree gewechselt, für Hertha BSC. Er betreute die U17 des Klubs als Co-Trainer, übernahm im Sommer 2013 die U15. Ab Herbst 2014 folgte ein kurzes Intermezzo als ungarischer Nationalcoach, währenddessen Dárdai Anfang Februar 2015 die Aufgabe als Hertha-Coach des abstiegsbedrohten Profiteams übernahm.

Diese erste Runde als ranghöchster Fußballlehrer beim Berliner Bundesligisten endete - in gegenseitigem Einverständnis - im Sommer 2019. Diesmal indes musste das Hertha-Urgestein seinen Posten unfreiwillig räumen. Für den zweimaligen Deutschen Meister (1930, 1931) ist es der sechste Trainerwechsel seit der ersten Trennung von Dárdai. Dabei hatte Bobic bei seinem Amtsantritt in Westend noch verkündet: »Man hatte fünf Trainer in zwei Jahren. Das ist zu viel. Wir brauchen Kontinuität, das ist das Allerwichtigste.«

An Kontinuität denkt man auch bei Tayfun Korkut, dem neuen Mann am Hertha-Ruder, nicht zu zuallererst. Am längsten dauerte noch dessen erster Job im deutschen Profifußball in Hannover (16 Monate) an. In Kaiserslautern (sechs Monate, Vertragsauflösung auf eigenen Wunsch), Leverkusen (zweieinhalb Monate) und Stuttgart (gut acht Monate) endeten seine Engagements dann jeweils recht bald.

In Berlin erhält Korkut zusammen mit seinem Assistenten Ilija Aračić nun einen bis zum Saisonende befristeten Vertrag. Eine pragmatische Lösung für einen pragmatischen Fußballlehrer - der den Stuttgartern vor dreieinhalb Jahren mit schlichtem Kompaktfußball frühzeitig den Klassenerhalt sicherte, mit dem damaligen Aufsteiger nur haarscharf den Europapokal verpasste, nach einem Fehlstart in die neue Runde nach dem siebten Spieltag dann aber als Tabellenletzter entlassen wurde.

Ein Jahr zuvor in Leverkusen wunderte sich der frühere Bayer-Nationalspieler Jens Nowotny darüber, wie man ein an überfallartigen Offensivfußball gewöhntes, verunsichertes Team einem Trainer anvertrauen kann, der wie Korkut »eher auf Ballbesitz, Sicherheit und die defensive Stärke baut«. Den Klassenerhalt sicherten sich die Rheinländer im Mai 2017 erst am vorletzten Spieltag. Ehe Tayfun Korkut eine Woche später immerhin ein furioser Abschied vom Werksklub glückte: Mit einem 6:2 bei Hertha BSC, das gecoacht wurde von - Pál Dárdai.

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