- Politik
- Prozess gegen "Ella"
Klimaaktivistin weiter in Haft
Urteilsverkündung im Berufungsverfahren von »Ella« erneut verschoben
Alles schien so, als würde am Dienstag das Urteil im Fall »Ella« verkündet werden. Doch nachdem sich der Richter am Landgericht Gießen nicht zu einem Antrag der Verteidiger auf Haftprüfung der Angeklagten äußern wollte, stellten ihre Anwältinnen einen Befangenheitsantrag. Solange darüber nicht entschieden ist, darf zwar weiter verhandelt, aber kein Urteil gefällt werden.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Direkt zu Beginn des siebten Prozesstages fragte die Verteidigung Richter Johannes Nink, ob er sich im Falle der Haftprüfung der Angeklagten entschieden habe und ob eine frühzeitige Freilassung von Ella in Aussicht stehe. Das verneinte er. Daraufhin reichten ihre Anwältinnen nach einer mehrstündigen Prozessunterbrechung den Befangenheitsantrag ein. Diesen begründeten sie damit, dass der Richter seine Unparteilichkeit verloren habe, da er nicht bereit sei, ihre Mandantin aus der Haft zu entlassen, obwohl es keinen Rückhalt mehr für die Aussagen der SEK-Beamten gebe, auf deren Aussagen »Ellas« Verurteilung maßgeblich beruht hatte.
Der Richter hätte dem Antrag deshalb aus Sicht der Verteidigung stattgeben müssen. Denn die Anklage sei mit Blick auf den aktuellen Stand der Beweisaufnahme nicht aufrecht zu erhalten, kritisierte »Ellas« Verteidigerin Waltraut Verleih nach dem Prozess.
Zwei Prozesstage zuvor hatten die beiden SEK-Beamten ihre Aussagen, die sie noch im ersten Prozess gegen »Ella« vor dem Amtsgericht Alsfeld getroffen hätten, erheblich geändert. In der ersten Instanz hatten sie behauptet, die Waldbesetzerin habe nach ihnen getreten, als sie ein Baumhaus im Dannenröder Forst räumen wollten. Sie hätten deshalb aufgrund mangelnder Sicherung in Lebensgefahr geschwebt. Nun, im zweiten Prozess, erinnerte sich einer der Beamten, doch gesichert gewesen zu sein. Ob die Angeklagte ihn getreten habe, wisse er nicht mehr. Als Gedächtnisstütze diente ihm der im Oktober 2021 erschienene Film »Ella«, den er auch gesehen habe. Er meinte, er sei »selbst überrascht gewesen«, dass er sich bei vielen Darstellungen so getäuscht habe.
Auch die anderen SEK-Beamten konnten sich an Sachverhalte, die sie in Alsfeld noch behauptet hatten, nun nicht mehr erinnern. So wussten sie nicht, ob sie selbst nach der Räumung von »Ella« mit Hebebühnen herabgelassen wurden oder eigenständig herunterkletterten. Im Gericht konnte festgestellt werden, dass zwei Hubsteiger in der Nähe der Baumhäuser bereitstanden, die eine gefahrlose Räumung ermöglicht hätten.
Aufgrund der revidierten Aussagen der SEK-Beamten hatten die Verteidigerinnen am sechsten Prozesstag die sofortige Haftentlassung ihrer Mandantin beantragt. Der Richter hatte dem nicht sofort stattgegeben, um der Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme zu ermöglichen. Am 23. Februar hatte die Behörde schließlich erklärt, sie stimme einer frühzeitigen Entlassung nicht zu. Richter Nink wollte sich zum Thema dennoch am Dienstag nicht äußern, woraufhin die Anwältinnen den Befangenheitsantrag stellten.
Am sechsten Prozesstag hatte sich auch »Ella« zum ersten Mal seit dem ersten Prozesstag wieder zu Wort gemeldet. Sie schilderte ihre Motive, sich als Umweltaktivistin gegen den Weiterbau der Autobahn A49 zu engagieren. Sie bezog sich unter anderem auf den Richter, welcher am ersten Verhandlungstag geäußert hatte, der Bau der Autobahn sei demokratisch entschieden worden. Sie erlebe Demokratie hingegen als »Machtkampf«, sagte sie. Die Bedürfnisse von Minderheiten würden ignoriert, so auch im Gebiet der A49, für deren Weiterbau der Dannenröder Forst gerodet wurde.
Der nächste Prozesstermin ist für den 10. März angesetzt. Bis zum 8. März hat die Verteidigung Zeit, Beweisanträge zu stellen.
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