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Die Produktion umstellen

Eine historische Anmerkung zu den Molotow-Cocktails, die in der Ukraine geworfen werden sollen

  • Karsten Krampitz
  • Lesedauer: 2 Min.

Nachdem das ukrainische Verteidigungsministerium die Bevölkerung zum Bau von Brandsätzen aufgerufen hat, hat dieser Tage auch eine ukrainische Brauerei die Produktion umgestellt, von Bier auf Molotow-Cocktails. Auf die Frage nach dem Grund, gab ein Firmensprecher auf ntv zu Protokoll: »Weil wir es können.«

In linksautonomen Kreisen erfreut sich das »Molli« seit jeher großer Beliebtheit. 1980 sang die Hamburger Punkband Slime: »Ein Drittel Heizöl, zwei Drittel Benzin / Wie ’68 in Westberlin / Diese Mischung ist wirkungsvoll / Diese Mischung knallt ganz toll.« Im Brockhaus lesen wir dazu: »mit Benzin und Phosphor gefüllte Flasche zur Panzernahbekämpfung, erstmals von sowjetischen Truppen im 2. Weltkrieg benutzt.« Was nicht ganz der Wahrheit entspricht, war es doch der »Winterkrieg«, der dem Weltkrieg vorangegangen war, als Stalin seine Armee am 30. November 1939 in Finnland einmarschieren ließ, vermutlich mit dem Plan, das Land, gemäß der Absprachen des Hitler-Stalin-Pakts, zu besetzen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Auch hat die sowjetische Armee die Molotow-Cocktails nicht zuerst »benutzt«; ihre Soldaten waren dabei, das ja. Denn anders als die Ukraine heute waren die Finnen auf einen Krieg nicht im Geringsten vorbereitet. Ihre Armee besaß kaum automatische Waffen, angeblich nur hundert Panzerabwehrkanonen und noch weniger Panzer. Und während sowjetische Flieger das Land bombardierten, behauptete Außenminister Wjatscheslaw Molotow im Radio, sie würden lediglich Brot und andere Nahrungsmittel abwerfen, für die hungernde Bevölkerung. Daher nannten die Finnen diese Bomben »Molotows Brotkörbe« und erfanden dazu das passende Getränk: den »Molotow-Cocktail«.

Damit hatten Stalins Generäle nicht gerechnet. Den sowjetischen Panzern war mit gewöhnlichen Handfeuerwaffen nicht beizukommen. Sobald aber brennende Flüssigkeit in die Lüftungsschlitze der Motoren gelangte oder gar in die Sehschlitze der Fahrer, verwandelte sich jedes gepanzerte Fahrzeug in eine brennende Barrikade, samt den Insassen, wenn sie es nicht mehr schafften, sich zu retten.

Ein Déjà-vu der besonderen Art: Auch in Finnland hat damals eine Alkoholfirma die Produktion umgestellt und die eigene Armee mit Hunderttausenden Brandflaschen versorgt. Nach 105 Tagen musste sich das Land zwar geschlagen geben und große Gebiete an Stalin abtreten. Die staatliche Unabhängigkeit aber hatten die Finnen verteidigt.

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