Ein dissidentischer Geist

Felix Klopotek beleuchtet anhand der Werkbiografie von Heinz Langerhans linke Geschichte

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist kein Unbekannter. Zu Heinz Langerhans existiert seit Jahr und Tag ein Wikipedia-Eintrag, und er ist in den Chroniken der Universitäten, an denen er gelehrt hat, verzeichnet». Darauf macht Felix Klopotok zu Beginn seiner Werkbiografie von Heinz Langerhans (1904-1976) aufmerksam. Dem Autor geht es vor allem darum, über dessen politisches Wirken zu informieren und derart ebenso an die Geschichte einer vergessenen dissidenten Arbeiter*innenbewegung zu erinnern.

Langerhans wird als Student Mitglied der Kommunistischen Bewegung und schon mit 20 Jahren Privatsekretär der kurzzeitigen KPD-Vorsitzenden Ruth Fischer. Sie und ihre Unterstützer*innen wurden als «Ultralinke» von den innerparteilichen Gegner*innen mit Rückendeckung aus Moskau, darunter der Kommunistischen Internationale, gestürzt und aus der Partei ausgeschlossen. Leider erfahren wir über Langerhans kurze Funktionärstätigkeit in diesem Buch wenig. Die dichte Beschreibung von dessen Lebensweg setzt erst ein, als jener gemeinsam mit Karl Korsch Teil eines linkskommunistischen Diskussionszusammenhangs geworden ist, eines Kreises von diskussionsfreudigen dissidenten Kommunist*innen, die sich früh vor allem theoretisch gegen die Stalinisierung der kommunistischen Weltbewegung engagierten.

Der Sozialwissenschaftler Langerhans entschied sich später, enttäuscht von der stalinisierten KPD, für die SPD. 1933 gehörte er zu einer Gruppe von linken Sozialdemokrat*innen, die in Abgrenzung sowohl zur SPD-Parteiführung wie auch zur KPD, eine Zeitung herausgab, die sich im Widerstand gegen die Nazis direkt an die Arbeiter*innen richtete. Nach seiner Verhaftung zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, wurde er in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Nach seiner Freilassung 1939 setzte er zunächst in Brüssel und dann in den USA seine antifaschistische Arbeit fort. Der größte Teil von Langerhans’ Texten wurde nie veröffentlicht und galt nach seinem Tod als verschollen.

Einer seiner Kollegen an der Gießener Universität hat sie verwahrt. Nach dessen Tod gingen die Kartons mit zahlreichen Manuskripten wieder an die Uni Gießen. Sie bilden die Grundlage für Klopoteks Biografie. In deren Zentrum steht ein Text, den Langerhans unter dem Titel «Wie man den Totalitarismus überwindet» im US-Exil geschrieben hat. Klopotek nennt diesen etwas pathetisch eine «Totalitarismustheorie aus der Perspektive der Proletarier und Versklavten». Tatsächlich zirkulierte der Text vielmehr unter Intellektuellen wie Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Paul Mattick und Korsch.

Beschrieben wird darin eine Welt, in der sich Faschismus, Stalinismus, aber auch ein totalitärer Kapitalismus immer mehr annähern. Unter diesen Bedingungen seien herkömmliche Mittel des Klassenkampfes wirkungslos, meinte Langerhans. Widerstand gegen die Totalitarismen sei nur noch im Produktionsprozess, beispielsweise durch Sabotage, möglich.

Dass es Langerhans im Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche Stalinist*innen unter den Exilant*innen in den USA nicht bei theoretischen Auseinandersetzungen beließ, zeigt eine von ihm und Ruth Fischer initiierte Zeitung, die vom FBI interessengeleitet unterstützt wurde. Nachdem ein in dieser denunzierter Genosse Selbstmord verübt hatte, distanzierte sich Langerhans von der hysterischen Jagd auf Stalinist*innen, ohne aber seine vorherige eigene Verantwortung zu benennen.

Klopotek stellt seinen Protagonisten als Netzwerker vor, der einen Teil seiner theoretischen Arbeit politisch entschärfte zugunsten einer akademischen Karriere - zunächst in den USA, nach 1945 in der BRD. Politisch engagierte sich Langerhans weiterhin im linken Flügel der SPD, beteiligte sich am Kampf gegen die atomare Aufrüstung und bekannte sich dazu, Wähler der Deutschen Friedensunion (DFU) zu sein, die der in der Bundesrepublik 1956 in die Illegalität gezwungenen KPD nahestand. Zeitweise sah er im Maoismus, später in einer Lesart des Buddhismus hoffnungsvolle Ansätze für eine gesellschaftliche Umgestaltung. Nach seiner Emeritierung als Politologe an der Universität Gießen 1972 vereinsamte der allein lebende Langerhans. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er zwangsweise in der Psychiatrie.

Vor 20 Jahren wurden seine Schriften von jungen Linken auf der Suche nach einer dissidenten Linken wiederentdeckt. Klopoteks Buch holt Heinz Langerhans erneut ins öffentliche Bewusstsein zurück.

Felix Klopotek: Heinz Langerhans. Die totalitäre Erfahrung. Unrast-Verlag, 372 S., br.,
24 €.

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