Bedrohliche Momente sind Alltag

Immer mehr Wohnungslose sind in einer schlechten Lebenslage

  • Lisa Ecke
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer keine eigene Wohnung hat, wem der Rückzugsort fehlt, der befindet sich natürlich immer in einer schlechten Lebenslage. Doch die Situation von wohnungslosen Menschen in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich verschlechtert. Zu diesem Ergebnis kommt eine letzten Donnerstag vom Evangelischen Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe (Ebet) und der Diakonie Deutschland veröffentlichte Studie. Demnach befinden sich im Vergleich zu 2018 2,6 Prozent mehr wohnungslose Menschen in einer schlechten oder sehr schlechten Lebenslage.

Über 30 Prozent der rund 1000 Befragten akut wohnungslosen Menschen befinden sich in einer unterdurchschnittlichen Lebenslage, etwa 14 Prozent in einer überdurchschnittlichen. Die Studienautoren merken jedoch an, dass viele Befragte sich subjektiv als zufriedener oder unzufriedener einschätzen, als es die objektivierbaren Daten hergeben. »Die persönliche und gesundheitliche Sicherheit ist nach unserer Studie zentral für die Lebenslage wohnungsloser Menschen«, erklärt Susanne Gerull von der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, die die Studie durchgeführt hat. »Der Gesundheitszustand spielt im Leben der Befragten in diesen unsicheren Zeiten eine deutlich wichtigere Rolle als 2018.«

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Über 40 Prozent der Befragten schätzen die eigene gesundheitliche Situation überwiegend als schlecht oder sehr schlecht ein, fast 60 Prozent der Wohnungslosen erlebten in den vorangegangenen sechs Monaten mindestens einmal monatlich bedrohliche Situationen. Ein weiterer Grund für die zunehmende Verschlechterung der Lebenslage im Vergleich zur ersten Studie ist die Verringerung von niedrigschwelligen Angeboten aufgrund der Pandemie.

Besonders prekär ist laut Studie die Situation von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern. Sie leben häufiger auf der Straße oder in Notunterkünften, haben seltener Zugang zu medizinischer Versorgung und erleben mehr bedrohliche Situationen. »Wohnungslose Menschen sollten nicht in Notunterkünften oder lediglich vorübergehend untergebracht werden, sondern unbefristet mit eigenem Mietvertrag Wohnraum erhalten«, fordert Jens Rannenberg, vom Ebet. Auch die Prävention von Wohnungsverlusten sei sehr wichtig, so Rannenberg: »Gerade in Zeiten rasant steigender Kosten für Strom und Heizung, die einkommensarme Haushalte besonders treffen und im schlimmsten Fall zum Verlust der Wohnung führen können«. In Deutschland wird die Zahl wohnungsloser Menschen von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosigkeit auf 256.000 im Jahr 2020 geschätzt. Zusätzlich gibt es noch knapp 161.000 wohnungslose anerkannte Geflüchtete.

»Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Menschen ohne Wohnung massiv in ihren Grundrechten eingeschränkt leben«, erklärte Maria Loheide von der Diakonie Deutschland anlässlich der Studienveröffentlichung. Der Gesetzgeber müsse beim sozialen Wohnungsbau eine entsprechende Anzahl an Wohnungen für wohnungslose Menschen vorsehen.

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