Rückenwind nur für Rot

Von den drei Parteien der Ampel-Bundesregierung gehören gleich zwei zu den Verlierern der Saarlandwahl, die zudem für ein wenig farbenfrohes Parlament sorgte

Nach Landtagswahlen rückt traditionell sogleich auch die Bundespolitik in den Fokus der Betrachtung. Eine Auffälligkeit dabei nach der Saarlandwahl: Von den drei Parteien der Ampel-Bundesregierung kann sich ausschließlich nur eine als Siegerin fühlen - die SPD. Für FDP und Grüne hingegen gibt es keine Zweideutigkeiten, kein Ergebnis, das sich auf irgendeine Weise schönreden ließe: Beide haben den Einzug - im Fall der Grünen äußerst knapp - nicht geschafft. Und auch wenn Landtagswahlen ihre eigenen Regeln haben, nach dem Erfolg der Regierungsbeteiligung im Bund dürfte der verpasste Einzug ins Parlament in Saarbrücken dennoch ein Dämpfer für Grüne und Liberale sein.

Auch traditionell ergibt sich für die Bundesparteien in der Regel nach einem Landesurnengang die Frage nach dem Rückenwind. Eindeutig bejaht diesen für die kommenden Landtagswahlen wenig überraschend die überdeutlich klare Wahlsiegerin SPD. Bei den Liberalen hingegen ist sich Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner sicher, dass das Scheitern seiner FDP nichts über die bundesweite Stimmungslage aussagt: »Das ist eine Wahl an der Saar gewesen, die sehr eigene Gesetze hatte«, erklärte Lindner am Montag nach Beratungen von Präsidium und Bundesvorstand. Die Wahl sei stark durch die Auseinandersetzung zwischen Amtsinhaber Tobias Hans (CDU) und Herausforderin Anke Rehlinger (SPD) geprägt gewesen. Darunter hätten alle kleineren Parteien gelitten. »Wir haben einen deutlichen Zuwachs an Stimmen gehabt«, erklärte FDP-Spitzenkandidatin Angelika Hießerich-Peter. »Dennoch: 4,8 ist eben nicht 5. Insofern nehmen wir das jetzt mal zur Kenntnis und als Arbeitsauftrag an.«

Einen solchen sieht Lindner offensichtlich nicht und schloss im Hinblick auf die kommenden Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen explizit eine Kurskorrektur der Bundespartei bei den umstrittenen Lockerungen in der Corona-Pandemie, die auf die FDP zurückzuführen sind, aus. »Die Vorstellung, dass die FDP eine Corona-Politik formuliert in Gedanken an Wahlkämpfe, ist falsch.« Als Bürgerrechtspartei sei die FDP sehr sensibel bei der Einschränkung von Freiheiten und Bürgerrechten. »Ob wir dafür breite oder sehr breite oder eine geringere Zustimmung erhalten - das spielt für uns keine Rolle. Das sind Fragen der Grundüberzeugung«, so Lindner.

Bei den Grünen wiederum gab es neben der eigentlichen Enttäuschung über den verpassten Einzug auch noch ein ganz klein wenig Grund zu hoffen. Schließlich fehlen der Partei ganze 23 Stimmen für den Einzug in den Landtag. »Wir gehen davon aus, dass das nicht mehr aufzuholen ist«, erklärte Spitzenkandidatin Lisa Becker am Montag in Saarbrücken. Es gebe nur »einen Funken Hoffnung«, die Partei versuche, bei den Gemeindewahlausschüssen Neuauszählungen zu erreichen. Dass mit SPD, CDU und AfD nur drei Parteien der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde und damit in den Landtag geschafft haben, bezeichnete sie als Verlust für die Pluralität und für die Demokratie. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang in Berlin, die zum einen unter anderem bedauerte, dass es mit dem Scheitern der Grünen nun »keine Stimme für den Klimaschutz« im Landtag geben werde und zum anderen betonte, dass der »unfassbar knappe« Wahlausgang daran erinnere, dass in der Demokratie keine Stimme ohne Bedeutung sei.

Die Wahl erinnert ebenso daran, dass durch die Fünf-Prozent-Klausel der Fall entstehen kann, dass ein beträchtlicher Anteil der Stimmen - in diesem Fall für die Linke, die FDP, die Grünen und die Sonstigen - quasi verloren ist, die Wähler*innen der gescheiterten Parteien nicht repräsentiert werden. Bei der Landtagswahl seien »22,3 Prozent der Stimmen wirkungslos«, kritisiert etwa auch der Verein Mehr Demokratie. »Ein Parlament, in dem nur noch drei Parteien sitzen, wird der politischen Vielfalt nicht gerecht. Hier wird der Wille der Wählerinnen und Wähler nicht mehr richtig abgebildet«, so Vorstandssprecher Ralf-Uwe Beck. Die Hürde diene lediglich dazu, die Regierungsbildung nach einer Wahl zu erleichtern und dürfe nicht »zu parteipolitischen Monokulturen führen«, so Beck weiter. »Die Fünf-Prozent-Hürde gehört dringend auf den Prüfstand«, fordert er. Der Vorschlag von Mehr Demokratie: eine Absenkung von fünf auf drei Prozent. Damit wären im Saarland drei Parteien mehr in den Landtag eingezogen, womit von einer Zersplitterung keine Rede sein könne. Zudem schlägt der Verein vor, eine Ersatzstimme einzuführen, die zum Zug komme und an eine zweite Partei ginge, falls die bevorzugte Partei an der Sperrklausel scheitere. Dies würde dafür sorgen, dass keine Stimme verloren gehe, so Beck.

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