»Talkshow-Minister« bei der Arbeit

Karl Lauterbach nun doch weiter für Verpflichtung zur Isolation

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.

»Soll ich nochmal neu anfangen?«, fragte Karl Lauterbach, als er am Mittwochmittag in Berlin vor die Presse trat. Der Grund: Die Technik streikte, der Gesundheitsminister war nur schwer zu verstehen. Und, so möchte man angesichts des Wirrwarrs um die Verpflichtung zur Isolation im Falle einer Corona-Infektion festhalten: Diese Szene passte ins Bild. Die Kommunikation seiner Corona-Politik – in diesen Tagen fällt sie Lauterbach, nicht nur aufgrund technischer Schwierigkeiten, offenbar ganz besonders schwer.

Denn in der Tat: Nur einen Tag, nachdem er das Ende dieser Verpflichtung zum 1. Mai angekündigt hatte, drückte der Minister den Reset-Knopf, fing sozusagen auf inhaltlicher Ebene noch einmal neu an. Passenderweise tat der unter Kritiker*innen als »Talkshow-Minister« Verrufene dies am Dienstagabend gegen Mitternacht bei »Markus Lanz«: »Das Signal, was davon ausgeht, dass jemand, der isoliert ist, selbst entscheidet, ob er zu Hause bleibt oder nicht, ist so negativ, so verheerend, obwohl es nicht kontrolliert werden kann, dass man an diesem Punkt eine Veränderung machen muss«, sagte er und verwies in einem späteren Tweet um 2:37 Uhr darauf, dass die FDP, die ansonsten den Lockerungskurs der Ampel entscheidend vorangetrieben hatte, mit diesem Fall überhaupt nichts zu tun habe.

Am Mittwoch dann vollendete er seine Kehrtwende auch offiziell: Die Pflicht zur Isolation bleibt bestehen. Lauterbach erklärte den Journalist*innen, er hatte die Gesundheitsämter entlasten wollen. Jedoch wäre im Falle einer solchen Regelung »der falsche Eindruck entstanden, die Pandemie sei beendet oder das Virus sei deutlich harmloser geworden«. Bleiben solle stattdessen eine verkürzte Isolation von fünf Tagen, ebenso sollen Kontaktpersonen von Corona-Infizierten künftig nicht mehr in Quarantäne geschickt werden. Den wichtigsten Punkt, nämlich die Infizierten selbst frei laufen zu lassen, nahm er allerdings zurück: »Das war ein Fehler, für den ich auch persönlich verantwortlich bin«, räumte Lauterbach ein.

Bleibt Lauterbach überhaupt Minister?

Wie man hört, sei es auf der SPD-Fraktionssitzung am Dienstag zu Unstimmigkeiten gekommen. »Ach guck. Danke, Karl Lauterbach! Was so eine laute und emotionale Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion alles bewirken kann«, twitterte der Abgeordnete Detlef Müller. Bereits vor Übernahme des Ministeramts hatte Lauterbach innerhalb seiner Fraktion als Einzelgänger gegolten, zuletzt hatte er sich selbst bei Anhänger*innen seiner eigentlich auf Vorsicht ausgerichteten Corona-Politik in Misskredit gebracht – aufgrund von Kompromissen wie dem neuen Infektionsschutzgesetz, nach dem nun selbst beim Einkaufen die Maskenpflicht wegfällt. Das vermeintliche Ende der Isolationspflicht war nun als I-Tüpfelchen Lauterbach'scher Wandlung vom Mahner zum Lockerer gedeutet worden.

Zunehmend steht Lauterbach, dessen Ministeriabilität immer wieder angezweifelt wird, unter Druck. Seine Kehrtwende soll er mit den Ländern nicht abgestimmt haben. Einen Rücktritt schloss er auf Nachfrage aber aus: »Das war ein Vorschlag, der fachlich eng abgestimmt war. Viele Länder waren für den Vorschlag.« Aber: »Wenn die Vorschläge nicht funktionieren, muss man sie zurücknehmen.« So, sagt er, sollten Minister funktionieren.

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