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  • Ukraine-Krieg / Kriegsverbrechen

Der BND hörte mit, als Russlands Soldaten mordeten

Moskau leugnet weiter Kriegsverbrechen an ukrainischen Zivilisten, doch die Argumente werden immer unglaubwürdiger

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

In den vom Bundesnachrichtendienst (BND) abgefangenen und ausgewerteten Gesprächen über Funk unterhalten sich angeblich russische Soldaten über die Morde an Zivilisten in Butscha. Darüber habe der deutsche Auslandsgeheimdienst jetzt die zuständigen parlamentarischen Stellen in Berlin informiert, schreibt der »Spiegel«. Einzelne Dialoge sollen sich sogar Fotos und Videos von Leichen zuordnen lassen, die nach dem Abzug der russischen Streitkräfte Ende März gemacht und weltweit verbreitet wurden. So soll ein Soldat in einem Funkspruch einem anderen schildern, er und seine Kollegen hätten eine Person von ihrem Fahrrad geschossen. Ein Bild einer Leiche mit Fahrrad ging um die Welt. Aus einem anderen Funkspruch soll hervorgehen, dass man zunächst Soldaten befrage, um sie dann zu erschießen.

Kein Zweifel, die Lausch-Ergebnisse lassen wesentlich mehr Rückschlüsse auf die Operationen und Aktionen russischer Truppen zu. Sie sind jedoch geheim. Zugleich legen die Mitschnitte aber nahe, dass es sich bei den entdeckten Verbrechen weder um Zufallstaten noch um Aktionen einzelner Soldaten handelt. Die Morde an Zivilisten sowie die belegten Folterungen seien Teil der russischen Kriegsführung, heißt es in Berlin. Es gehe darum, unter der Zivilbevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten und jeglichen Widerstand im Keim zu ersticken.

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An den Gräueltaten beteiligt sein könnten auch Angehörige der vom russischen Staat unterstützten Söldnertruppe »Wagner«, die bereits in Syrien sowie in der afrikanischen Sahelzone durch ihre unmenschlichen Taten für Schlagzeilen gesorgt hat.

Der BND teilte auf Anfrage lediglich mit, er nehme zu Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung, berichtete die Nachrichtenagentur dpa. Damit sei keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutreffend sei oder nicht. Zu entsprechenden Themen berichte er insbesondere der Bundesregierung und den zuständigen Bundestagsgremien.

Die russische Regierung dementiert weiter vehement, dass russische Kräfte für diese Kriegsverbrechen verantwortlich seien. Bislang sprach Moskau von gefälschten Fotos und Videos. Die Abhör-Erkenntnisse des BND könnten die Dementis aus Moskau weiter entkräften. Denn der deutsche Nachrichtendienst gehört seit seiner Gründung im Jahr 1956 zu den verlässlichen Funkaufklärern innerhalb des Nato-Bündnisses. Von Anfang an hat man sich dabei der Assistenz durch die Bundeswehr versichert - entsprechend der »Richtlinien für die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und BND auf dem Gebiet der Fernmeldeaufklärung und Elektronischen Aufklärung«. Früher war die Abteilung 2 des Dienstes zuständig, die Aufgaben erfüllt heute die Abteilung Technische Aufklärung (TA) des Bundesnachrichtendienstes. Auch das für die Koordinierung der deutschen Nachrichtendienste zuständige Bundeskanzleramt ist einbezogen.

Durch den Aufbau des Organisationsbereiches Cyber- und Informationsraum (CIR) bei der Bundeswehr im Jahr 2017 wurde die Kooperation effektiviert. Gerade in Spannungs- und Kriegszeiten hören BND und Bundeswehr den taktischen Funkverkehr der Kontrahenten ab. Bereits vor Jahren wurden dazu auch Spezialisten der Bataillone Elektronische Kampfführung an die russische Grenze verlegt. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist auch das dafür gebaute Flottendienstboot »Oste« in der Ostsee unterwegs.

Den Großteil der Aufklärung in Bezug auf Russlands Krieg gegen die Ukraine leisten die USA, die vor allem über Polen rund um die Uhr mit bemannten wie unbemannten Aufklärungsflugzeugen unterwegs sind. Die im Rahmen der sogenannten Signal Intelligence (Sigint) gewonnen Daten werden zwischen den Diensten der Nato-Staaten ausgetauscht und arbeitsteilig analysiert. Unter anderem das Zentrum für Luftoperationen in Kalkar ist dafür zuständig. Die Bundeswehr selbst hat - nachdem das Projekt »Euro Hawk« vor rund neun Jahren gescheitert ist - keine Aufklärungsflugzeuge oder Drohnen mit weitreichenden Sensoren. Wohl aber arbeitet man an einer bemannten Zwischenlösung. Zudem betreibt man ein Radarsatellitensystem, das Tag und Nacht sowie bei allen Witterungsverhältnissen verlässliche Informationen übermittelt, die vom Kommando Strategische Aufklärung der Bundeswehr in Grafschaft-Gelsdorf nahe Bonn ausgewertet werden.

Es besteht kein Zweifel, dass bestimmte Ergebnisse an die ukrainische Seite weitergeleitet werden. Das ist für die Verteidiger mit Sicherheit wichtiger als die Lieferung von Militärgerät. Doch das liefert die Nato ebenfalls weiter, versicherte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei der jüngsten Außenministerberatung in Brüssel. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba betonte dabei: »Wir wissen, wie man kämpft, wir wissen, wie man gewinnt.« Sein Land brauche Flugzeuge, schwere Flugabwehrsysteme und mobile Raketenwerfer. Konkret wandte sich Kuleba an Berlin: »Es ist klar, dass Deutschland mehr tun kann.« Kanzler Olaf Scholz versicherte, dass man die Waffenlieferungen fortsetzen werde. In Washington wurde bestätigt, dass Tschechien gerade - mit US-Unterstützung - neben eigenen T-72-Panzern auch Schützenpanzer der einstigen NVA in die Ukraine überstellt.

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