Im freien Fall

Steueraffäre bringt britischen Finanzminister in Erklärungsnot

  • Peter Stäuber
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich ist das, was Akshata Murty tut, nicht ungewöhnlich für Multimillionäre. Die indische Unternehmerin lebt zwar in Großbritannien, hat aber ihre Steuerangelegenheiten so geregelt, dass sie keine britischen Abgaben auf ihre ausländischen Einkünfte zahlen muss. Für Murty sind diese Einkünfte beträchtlich: Ihre Anteile am IT-Unternehmen ihres Vaters brachte ihr laut Presseberichten letztes Jahr mehr als elf Millionen Pfund an Dividenden ein.

Was die Sache jedoch dennoch brisant macht, ist ein entscheidendes Detail: Murty ist die Ehefrau des britischen Finanzministers Rishi Sunak. Die Enthüllung über die Steuerarrangements seiner Gattin haben den Schatzkanzler in den vergangenen Tagen zunehmend in Erklärungsnot gebracht, ihm werden Scheinheiligkeit und unmoralisches Verhalten vorgeworfen. Am Mittwoch berichtete der Independent, dass Akshata Murty den sogenannten »non-domiciled status« innehat. Dieser Status bedeutet, dass man zwar für Steuerzwecke in Großbritannien registriert ist, aber dem Fiskus nichts zahlen muss auf Einkünfte, die man im Ausland macht. Für Murty, die seit zehn Jahren in Großbritannien lebt, heißt das, dass sie keine britischen Steuern zahlt auf die Dividenden, die sie durch ihre Anteile am indischen IT-Konzern Infosys einnimmt – ihr Vater ist der Gründer des milliardenschweren Unternehmens.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Eine Sprecherin Murtys sagte zunächst, dass ihre Chefin eine indische Staatsbürgerin sei und deshalb »für Steuerzwecke als nicht-domiziliert behandelt wird«. Aber Steueranwälte konterten umgehend, dass diese Erklärung nicht greife: Der Non-dom-Status wird nicht automatisch verliehen, man muss ihn beantragen. Tatsächlich hat Murty seither bestätigt, dass sie jährlich 30.000 Pfund für dieses Privileg hinblättert. Es wird Leuten gewährt, die eine Verbindung in ein anderes Land, das sie als ihr wahres Zuhause ansehen, geltend machen können. Der Zweck ist jedoch meist der gleiche: Man kann sich so Steuern sparen.

Ob auch Murty die »Non-Dom«-Regeln benutzt, um Steuern zu umgehen, ist nicht bekannt. Aber allein die Tatsache, dass die Ehefrau des Finanzministers sich möglicherweise einen Steuertrick zunutze macht und so den britischen Fiskus um einige Millionen Pfund bringt, hat Entrüstung ausgelöst. Sollte sich herausstellen, dass sie auf diese Weise tatsächlich ihre Steuern senke, so sei dies »atemberaubende Scheinheiligkeit«, sagte Oppositionschef Keir Starmer. »Es zeigt erneut, dass wir einen Schatzkanzler haben, der keine Ahnung hat von den Schwierigkeiten, mit denen so viele Leute in diesem Land derzeit kämpfen.«

Sunak selbst weist die Vorwürfe als »Schmierenkampagne« zurück. Aber viele Briten dürften sich Starmers Rüge anschließen. Letzte Woche sind die Energiepreise dramatisch angesprungen, zudem werden die Geldbörsen von Normalverdienern durch die steigende Inflation immer stärker strapaziert, und gleichzeitig hat Sunak die Steuern angehoben. Das Hilfspaket, das er vor zwei Wochen vorstellte, ist laut Kritikern viel zu knauserig, um die drohende Krise der Lebenshaltungskosten eindämmen zu können. Die Tory-Basis sieht es genauso: Sunaks Umfragewerte sind im freien Fall, laut einer neuen Erhebung zählt der Finanzminister zu den unbeliebtesten Mitgliedern des Kabinetts. Die Affäre um die Finanzen seiner Frau wird den Eindruck, dass Sunak von der Lebensrealität der meisten Briten entrückt ist, kaum widerlegen.

Es ist ein steiler Abstieg des einstigen Superstars. Im ersten Jahr der Pandemie, als Sunak Millionen von Briten finanziell unter die Arme griff und durch seine Kompetenz und Nüchternheit einen Kontrast zu Boris Johnson bot, zählte er zu den beliebtesten Politikern des Landes. Er wurde sogar als möglicher Nachfolger als Tory-Chef gehandelt. Darauf bestehen derzeit kaum Aussichten.

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