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Niedrige Löhne sind Gift

Warum angesichts der Inflation nicht zu hohe, sondern zu niedrige Gehälter ein ökonomisches Problem sind

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Vor noch gar nicht langer Zeit warnten konservative Politiker*innen und neoliberale Ökonom*innen vor der angeblichen Gefahr einer Preis-Lohn-Spirale. Hohe Lohnforderungen wegen der gestiegenen Preise würden die Inflation nur noch mehr steigen lassen, so ihr Argument. Das Gute an dieser Warnung war, dass niemand so richtig auf sie hören wollte. Nun werden sogar Stimmen lauter, die sich aufgrund der gegenwärtigen Lage aus ökonomischen Gründen für kräftige Lohnsteigerungen aussprechen. Und dabei handelt es sich bei weitem nicht nur um Stimmen aus dem Gewerkschaftslager, mit DIW-Präsident Marcel Fratzscher spricht sich auch einer der bekanntesten Ökonomen hierzulande für höhere Löhne aus.

Denn die hohen Inflationsraten sind nicht nur ein individuelles Problem für die Beschäftigten. Wenn immer mehr Geld für Energie und Nahrungsmittel ausgegeben werden muss, dann fehlt es an anderer Stelle. Die Menschen müssen sich wohl oder übel irgendwo einschränken. Was das auf volkswirtschaftlicher Ebene bedeutet, lernt man bereits im VWL-Grundstudium; der private Konsum, der in der Vergangenheit meist noch die Konjunktur stützte, bricht ein. Als Nächstes ist dann die Wirtschaft als Ganzes dran, es droht eine handfeste Rezession. Und so besteht nicht die Gefahr von zu großen Lohnsteigerungen, sondern von zu niedrigeren. Denn die aufgrund der Inflation verloren gegangene Kaufkraft muss aufgefangen werden.

Wen dieses Argument nicht überzeugt, der sollte sich die neoliberalen Krisenexperimente der letzten Jahrzehnte anschauen. Überall dort, wo in der Krise die Gehälter der arbeitenden Bevölkerung gekürzt, also die breite Kaufkraft eingeschränkt wurde, war die Rezession am Ende noch tiefer. Niedrige Löhne sind also vielleicht für den einzelnen Kapitalisten gut, für eine gesamte Volkswirtschaft sind sie Gift.

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