Die Allianz hat Milliarden in den Sand gesetzt

Allianz verkaufte in den USA hochriskante Fonds als sichere Geldanlage und verzockte sich

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Oliver Bäte sieht sich auf Kurs. Trotz des Ukraine-Krieges und hoher Abschreibungen in Russland peilt der Allianz-Boss in diesem Jahr einen operativen Rekordgewinn von 13 Milliarden Euro an. Diesen soll der Konzern in seinem Alltagsgeschäft, dem Abschluss von Lebens‑, Renten‑, Schaden- und Unfallversicherungen, erzielen. Doch ein Anlageskandal in den USA droht die Erfolge zu schmälern und das grundsolide Image zu gefährden.

Der Versicherungsriese, der in Deutschland einen Marktanteil von rund 20 Prozent hat, bewarb in den USA hochspekulative Fonds als sichere Geldanlage. Dies werfen der Allianz Investoren vor. Vor allem Pensionsfonds hatten Milliarden in sogenannten Structured-Alpha-Fonds angelegt, die der Vermögensverwalter Allianz Global Investors, ein Tochterunternehmen des Münchner Konzerns, angeboten hatte.

In den USA spielen private Altersvorsorge und Betriebsrenten eine weit größere Rolle für die Rente als in Deutschland. Daher ist die Empörung über das Debakel dort besonders groß, denn betroffen sind etwa Rentenansprüche von New Yorker U‑Bahn-Fahrern und das Arkansas Teacher Retirement System, das sich um die Altersvorsorge von Lehrern kümmert. Die Pensionsfondsbetreiber zogen vor Gericht.

Als es mit den Börsen zu Beginn der Coronakrise bergab ging, hatten die Allianz-Fonds bewusst riskanter investiert, um die Renditen zu retten, so der Vorwurf der Kläger. Man habe darauf gewettet, dass die Märkte nicht weiter einbrechen, obwohl sich bereits die Pandemie abzeichnete. Für den riskanten Kurs wurden auch hochriskante Hedgefonds eingesetzt – entgegen der zugesagten Sicherheit. Das Ergebnis waren im Frühjahr 2020 Verluste in Milliardenhöhe. Fünf Fonds verloren nach Medienberichten zwischen 49 und 97 Prozent ihres Wertes.

Die deutsche Aktionärsvereinigung DSW wirft der Allianz vor, das Problem zunächst kleingeredet zu haben. Und damit rückt der Aufsichtsrat um den prominenten früheren Firmenlenker Michael Diekmann ins Blickfeld. Schon im Juli 2020 soll er gewarnt worden sein. Aber erst ein Jahr später sei die Allianz, die in mehr als 70 Ländern Geschäfte macht, damit an die Presse getreten.

Zu dem Zeitpunkt hatten bereits die US-Finanzaufsicht und das Washingtoner Justizministerium ermittelt. Die oberste Strafverfolgungsbehörde kündigte eine genaue Untersuchung an, und die Allianz musste davon ausgehen, dass die Geldvernichtung zu einem Politikum werden würde. Die Liste deutscher und europäischer Unternehmen, die die Härte der US-Justiz zu spüren bekommen haben, ist lang. Auch Deutsche Bank und Volkswagen mussten in den Vereinigten Staaten schon empfindliche Strafen zahlen. Mancher Beobachter sieht darin allerdings zugleich den Versuch, für US-Konzerne Wettbewerbsvorteile herauszuschlagen.

Die Allianz bestreitet systematisches Fehlverhalten. Lediglich hätten zwei Fonds-Manager gegen hausinterne Anlageregeln verstoßen. Dennoch erklärte der Vorstand in München vergangene Woche in einer Börsenpflichtmitteilung, dass zur Entschädigung der Pensionsfonds weitere Vergleiche abgeschlossen worden seien. »Vor diesem Hintergrund und im Lichte der fortschreitenden Gespräche mit den Behörden in den USA hat die Allianz heute beschlossen, im ersten Quartal eine zusätzliche Rückstellung in Höhe von 1,9 Milliarden Euro zu buchen«, verlautbarte die Allianz.

Im Februar hatte der zweitgrößte Versicherer in Europa bereits bekannt gegeben, dass man sich mit vier US-Investoren auf die Zahlung von rund 3,5 Milliarden Dollar geeinigt habe. Seither soll eine weitere Milliarde geflossen sein. Unterm Strich dürfte die Allianz rund sechs Milliarden Euro in den Sand setzen.

Doch das ist nur eine vorsichtige Schätzung: »Die bisherigen Schadenzahlungen markieren noch nicht das Ende«, warnt das »Versicherungsjournal«. Insgesamt hatten 27 Investoren geklagt – zusätzlich muss der Versicherer empfindliche Strafen durch die US-Behörden fürchten.

Bei der Frage nach der Gesamtverantwortung rückt der Vorstandsvorsitzende in den Fokus. Oliver Bäte erklärt in Interviews gerne die ganze Welt – vom Klimaschutz bis zum Ukraine-Krieg. Und er betont immer wieder, die Allianz biete nur »konservative«, also sichere Anlagen an. Kritiker fragen nun: Warum gab es überhaupt spekulative Alpha-Fonds?

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