Razzia wegen Greenwashing

Deutsche Bank tauscht Chef von Tochter-Gesellschaft aus

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Betreibt der milliardenschwere Vermögensverwalter DWS sogenanntes Greenwashing? Der Vorwurf gegen die Tochter-Gesellschaft der Deutschen Bank steht seit längerem im Raum. Vergangene Woche erhielt der Fall jedoch eine neue Dimension: Etwa 50 Einsatzkräfte von Staatsanwaltschaft, Finanzaufsicht Bafin und Bundeskriminalamt durchsuchten Räume in der Zentrale der Deutschen Bank sowie im benachbarten Gebäude der Fondsgesellschaft DWS.

Anlass nach Angaben der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main: Verdacht auf Kapitalanlagebetrug. Nun sollen am Donnerstag personelle Konsequenzen gezogen werden. Im Verlaufe der virtuellen Hauptversammlung will der derzeitige DWS-Vorstandsvorsitzende Asoka Wöhrmann sein Mandat niederlegen, teilte Deutschlands größtes Geldhaus mit.

Die bereits 1956 gegründete DWS, das Kürzel steht für Deutsche Gesellschaft für Wertpapiersparen, ist heute einer der wichtigsten Akteure auf dem europäischen Finanzmarkt. Die rund 3500 Beschäftigten verwalten laut Firmenangaben über 900 Milliarden Euro. Auslöser der staatsanwaltlichen Nachforschungen waren Vorwürfe der früheren Nachhaltigkeitsverantwortlichen der DWS, Desiree Fixler. Sie warf nach ihrer Kündigung ihrem ehemaligen Dienstherrn öffentlich vor, Fonds nach außen hin als viel »grüner« darzustellen, als sie eigentlich seien.

Wöhrmann hat den Vorwurf des Greenwashing bislang zurückgewiesen. Nun heißt es in einer Erklärung des Vermögensverwalters lediglich, dass die Vorwürfe, die in den vergangenen Monaten gegen DWS und ihn persönlich erhoben wurden, eine Belastung für das Unternehmen und für ihn geworden seien: »Um die Institution und auch meine Familie zu schützen, möchte ich daher den Weg für einen personellen Neuanfang frei machen«, wird Wöhrmann zitiert.

Seit die Finanzbranche Nachhaltigkeit kurzerhand als lukrative Marktlücke entdeckt hat – jahrzehntelang eine Nische für Pioniere wie Ökobank und GLS-Bank –, steht der Verdacht des Greenwashing latent im Raum. Auch, weil es bislang keine verbindlichen Regeln für sogenannte ESG-Geldanlagen gibt. ESG steht für Environmental-Social-Governance, zu Deutsch: Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. So hatte auch die Commerzbank schon Ärger mit Verbraucherschützern wegen eines irreführenden CO2-Rechners.

Die Europäische Kommission will diesem Wildwuchs Einhalt gebieten. Dazu hat Kommissionspräsidentin Ursula von Leyen (CDU) ein Klassifizierungsinstrument entwerfen lassen, die sogenannte Taxonomie. »Durch die EU-Taxonomie sollen private Investitionen in Tätigkeiten gelenkt werden, die notwendig sind, um Klimaneutralität zu erreichen«, heißt es aus Brüssel. Anhand dieses Leitfadens sollen vor allem Vermögensverwalter, Banken und Fondsgesellschaften einschätzen können, ob ein Unternehmen, in das sie investieren wollen, nachhaltig arbeitet. Streit gibt es vor allem in Deutschland um die Frage, ob Atomenergie und Erdgas als »grüne« Brückentechnologien die ESG-Kriterien erfüllen, wie es die Kommission will. 2023 soll die Taxonomie in Kraft treten.

Bislang behilft sich die Finanzbranche mit Selbstverpflichtungen, die von Nichtregierungsorganisationen regelmäßig als zu lax eingeschätzt werden. Und es gibt mehr oder weniger trennscharfe hausinterne Richtlinien zur Nachhaltigkeit. Oder auch nicht: »Die DWS lässt bisher öffentliche Investitionsrichtlinien, ob zu Menschenrechten, Energiekonzernen oder Bergbau vermissen«, kritisiert der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre (DKAA) in Köln.

Dass dieses Vakuum problematisch sei, kritisiert DKAA-Geschäftsführer Markus Dufner, zeigten Investitionen der DWS in den umstrittenen brasilianischen Bergbaukonzern Vale in Höhe von rund 66 Millionen Euro. »Das Unternehmen ist für zwei der größten und tödlichsten Dammbrüche der jüngeren Geschichte verantwortlich: Mariana in 2015 und Brumadinho in 2019«, erläutert Dunfer weiter.

Bei DWS sieht die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main nun offenbar Anhaltspunkte für den Vorwurf des Kapitalanlagebetrugs, konkrete Beschuldigte gebe es bislang nicht, hieß es jedoch. Deklarierte ESG-Faktoren seien entgegen der Angaben in Verkaufsprospekten von DWS-Fonds nur in einer Minderheit der Investments tatsächlich berücksichtigt worden. In einer Vielzahl von Beteiligungen hätten sie ebenfalls keine Beachtung gefunden.

»Die Deutsche Bank und ihre Fondstochter treffen die Vorwürfe empfindlich«, schreibt die »Börsen-Zeitung«. Beide Unternehmen hätten sich das Thema Nachhaltigkeit groß auf die Fahnen geschrieben und wollten das Geschäft damit in den kommenden Jahren ausbauen. »Sogenannte ESG-Anlagen sind einer der Mega-Trends der Investmentbranche«, heißt es weiter.

Die Vorwürfe auf Prospekt- beziehungsweise Kapitalanlagebetrug wiegen schwer und zeigen: »Greenwashing ist kein Kavaliersdelikt«, so die Bürgerbewegung Finanzwende. Die Durchsuchung der Deutschen Bank und der Rücktritt des DWS-Chefs werden Signalwirkung für andere Vermögensverwalter entfalten, blickt Magdalena Senn, Referentin für nachhaltige Finanzmärkte bei Finanzwende, optimistisch in die Zukunft. Anbieter von als nachhaltig beworbenen Finanzprodukten werden nun genauer prüfen, ob ihre eigenen Anlagekriterien halten, was sie versprechen. Das wird auch der neue DWS-Chef tun.

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