Werbung
  • Berlin
  • Innovationstag Mittelstand

Von Heizen bis Bierbrauen

Mittelständische Ideen zeigen, wie Energie gespart werden kann

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 5 Min.
Nur vier Millimeter dick, dafür umso effizienter: Sarah Kocabiyik präsentiert das Heiz- und Kühlsystem Meshclimate.
Nur vier Millimeter dick, dafür umso effizienter: Sarah Kocabiyik präsentiert das Heiz- und Kühlsystem Meshclimate.

Die Hitze bringt die rund 2000 Besucher*innen des Innovationstags Mittelstand in Pankow am Donnerstag – viele von ihnen in Anzug oder Kostüm – sichtlich ins Schwitzen. Die in der prallen Sonne aufgestellten Stühle vor der Bühne stehen fast alle leer, während einige Gäste von den umliegenden Schattenplätzen aus dem Vortrag von Ole Janssen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zuhören. Der Mittelstand habe »viele tolle Lösungen« für Klimaneutralität, Energiewende und Digitalisierung parat. Trotzdem gebe es bei der »Innovationsquote eine große Schere zwischen großen sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen«, sagt er. Deswegen fördert das Bundesministerium insbesondere den Mittelstand, um Lösungen für die ökologische und digitale Transformation zu entwickeln, die Unternehmer*innen noch mehr ins Schwitzen bringen dürften.

Denn von der bis 2045 angestrebten Klimaneutralität sind viele Branchen noch weit entfernt, zum Beispiel der Gebäudesektor. Die Klimaneutralität von Gebäuden werde nicht allein durch erneuerbare Energien erreicht, sondern auch durch Ressourceneffizienz, erklärt Sarah Kocabiyik von der Berliner Und-Krauss-Bauaktiengesellschaft, die als eine von über 200 Firmen auf dem Innovationstag des Bundeswirtschaftsministeriums ein neues Produkt vorstellt: das Heiz- und Kühlsystem Meshclimate, das die Bauaktiengesellschaft gemeinsam mit dem Kunststoffverarbeiter Gubesch Group entwickelt hat.

Dabei handelt es sich um eine nur vier Millimeter dicke Matte, durch die Heiz- oder Kühlflüssigkeit fließt, und die mit geringem Aufwand in Fußböden, Wänden oder Decken integriert werden kann. Sie kann zum Beispiel direkt zwischen Boden und Parkett verlegt werden, ohne dass der Bodenbelag, der Estrich, dafür herausgerissen werden muss, wie es bei herkömmlichen Fußbodenheizungen notwendig ist. Der Abstand zum beheizten Raum und somit Wärmeverluste werden minimiert, sodass bis zu 20 Prozent Energie eingespart werden. Gerade in Berlin gebe es viele Bestandsgebäude, die energetisch saniert werden müssten, und »bevor wir daran denken, neu zu bauen, sollten wir den Bestand klimaneutral hinkriegen«, findet Kocabiyik.

»Das System ist besonders gut mit erneuerbaren Energien wie Wärmepumpen kombinierbar, weil es mit niedrigen Vorlauftemperaturen auskommt«, erklärt Jens Klug von der Gubesch Group. Außerdem ist die ultradünne Fußbodenheizung recyclebar. Nach über vier Jahren Entwicklung befindet sich Meshclimate nun im Markteintritt, ein erstes Mietshaus in der Berliner Auguststraße wird gerade damit aufgerüstet.

Die Gesellschaft zur Förderung der naturwissenschaftlich-technischen Forschung (GNF), die am Wissenschaftsstandort Adlershof beheimatet und ebenfalls beim Innovationstag vertreten ist, hat es mit der Anwendung ihrer Erfindung nicht ganz so leicht. Das Forschungsunternehmen hat in den vergangenen zwei Jahren Material zum Filtern von Mikroplastik aus dem Grundwasser entwickelt. Dabei handelt es sich um recyclebare Tonkügelchen, die in Abflüsse, Waschmaschinen oder Gullis eingebaut werden können, um Mikroplastik aufzufangen. »Die Idee ist, das Mikroplastik schon vor dem Klärwerk rauszufiltern«, erklärt Marc Beyer, Forscher bei der GNF. Denn der Klärschlamm, in dem das Plastik normalerweise landet, werde anschließend auf Feldern verteilt, sodass das Plastik wieder in den Boden gelange. »Das Problem wird nur verlagert«, so Beyer.

70 Prozent des Mikroplastiks stammten aus Reifenabrieben auf den Straßen, doch die Aufrüstung jedes Gullis mit Filtern sei viel zu aufwendig. Bislang gebe es für die Länder keine klaren Vorschriften, um der Problematik zu begegnen. Und das kleine Forschungsunternehmen habe nicht die Mittel, um das Filtersystem für die Anwendung zu produzieren und zu vertreiben. »Wir bräuchten eine Firma, die das groß produziert, oder ein Projekt mit dem Land Berlin«, sagt die GNF-Vorstandsvorsitzende Gundula Stein. Sie und Beyer hoffen daher, dass das Thema mehr Reichweite bekommt, denn: »Mikroplastik ist ein Riesenproblem«, sagt Beyer, da es ab einer bestimmten kleinen Größe mit Zellen und Organismen interagieren und sie verändern könne.

Auf die große Bühne des Innovationstag hat es ein weniger dramatisches, aber umso beliebteres Thema geschafft: In einer Speed-Pitch-Session geht es ums Bier. Das Berliner Forschungsinstitut für Bier- und Getränkeproduktion (FIBGP) hat ein neues Gärverfahren entwickelt, in dem nicht für jedes Bierfass eine neue Gärung angesetzt werden muss. Bei der kontinuierlichen Gärung können in den Tank permanent Zutaten zugeführt und es kann dauernd fertiges Bier abgefüllt werden. »Das spart Platz und Zeit und der CO2-Fußabdruck ist geringer«, erklärt Jan Biering, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts.

Das sei sogar reinheitsgebotskonform und könne von jeder klassischen Brauerei angewendet werden. »Die Challenge war, ein Bier zu bekommen, das der normalen Gärung entspricht und genauso schmeckt«, so Biering weiter. Burghard Hagen Meyer vom Bierforschungsinstitut lädt die Gäste auf der Bühne zu einer Kostprobe am eigenen Stand ein. »Das ist bei dem Wetter ja das Allerbeste«, sagt Moderatorin Vivian Perkovic. »Vor allem, wenn es kalt ist«, bestätigt Meyer.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal