Zehn Punkte für ein gerechteres Ecuador

Bischöfe vermitteln Abkommen zwischen indigener Bewegung und Regierung

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Spuren des Konflikts rund um den Parque El Arbolito und die Casa de la Cultura in Quito sind weitgehend beseitigt. Das Wochenende war das erste, welches nach 18 Tagen der massiven sozialen Proteste, angeführt vom Dachverband der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) ruhig verlief. Ein erster Erfolg des am Donnerstag unterzeichneten Abkommens zwischen Regierung und dem Conaie, das durch die katholische Kirche vermittelt wurde. »Die Bischöfe haben in einer sehr konfliktiven Situation erfolgreich vermittelt. Wir müssen uns alle fragen, ob dieser Konflikt mit mindestens sechs Toten, sieben Verschwunden, mehr als 300 Verletzen und über 150 Verhaftungen nicht vermeidbar gewesen wäre«, kritisierte Yaku Pérez gegenüber »nd«. Deswegen hat das Abkommen für den vergangenen Präsidentschaftskandidaten der indigenen Partei Pachakutik einen »süßsauren Beigeschmack«. Pérez verfehlte 2021 als Dritter nur knapp die Stichwahl.

Das Abkommen mit den einzelnen Maßnahmen ist ein Kompromiss, in dem sich alle zehn Forderungen des Dachverbands Conaie wiederfinden. Francisco Jiménez, der Kabinettschef der Regierung von Guillermo Lasso, kam den Protestierenden weit entgegen. So wird der Treibstoffpreis um insgesamt 15 US-Cent pro Gallone (3,78 Liter) Diesel und Benzin gesenkt. Das ist weniger als die 40 US-Cent, die vom Conaie gefordert worden war, aber mehr als die zehn US-Cent, die Präsident Guillermo Lasso angeboten hatte. Mitverantwortlich dafür waren die Bischöfe, die aktiv Kompromisse suchten und auch eigene Vorschläge machten.

Die Bischöfe ließen keinen Zweifel daran, dass sie die Forderungen der indigenen Organisationen für berechtigt hielten, so Carlos Mazabanda. Der Umweltspezialist, lange bei der US-Schutzorganisation »Amazon Watch« angestellt, ist froh, dass die Regierung auch bei einem anderen zentralen Punkt auf der Conaie-Agenda einen Rückzieher machte: der Aufhebung der Dekrete 95 und 151. Die sahen eine Ausweitung der Förderung von Erdöl, aber auch von Industriemetallen in der Amazonasregion sowie in anderen Landesteilen vor. Zukünftig sollen keine Bergbautätigkeiten in geschützten und archäologischen Zonen sowie Wasserschutzgebieten mehr möglich sein. In anderen Gebieten soll die Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Vorab-Konsultationen der betroffenen Gemeinden respektiert werden. Ein wegweisender Erfolg für den Conaie: »Nur der Kampf hat es uns ermöglicht, diese Rechte zu erringen!«, twitterte die Organisation und fügte hinzu: »Ja, wir haben Resultate erzielt.« Das Schuldenmoratorium für Kleinschuldner bis 3000 US-Dollar, die Aufstockung eines Sozialprogramms, sowie die Zusage der Regierung, in das marode Gesundheits- und Bildungssystem des Landes zu investieren, sind weitere prestigeträchtige Erfolge. Der Conaie hat nicht nur erneut seine Mobilisierungsfähigkeit bewiesen, sondern auch, dass das Bündnis längst ein Sprachrohr der verarmten Bevölkerungsschichten ist.

Auch Präsident Guillermo Lasso feierte das Abkommen. »Wir haben den höchsten Wert erreicht, den wir alle anstreben: Frieden in unserem Land«, twitterte er. Doch genau dazu hat der Präsident, dessen Zustimmungswerte bei gerade 17 Prozent liegen, wenig beigesteuert. Gemeinsam mit Innenminister Patricio Carrillo hatte er den Konflikt immer wieder angeheizt und den Vorsitzenden des Conaie, Leonidas Iza, nicht als Verhandlungsführer akzeptieren wollen und als Putschisten tituliert. Das hatte die Aufnahme von Verhandlungen genauso erschwert wie die Tatsache, dass der Forderungskatalog des Conaie schon Monate auf dem Regierungstisch lag und ignoriert wurde. Arroganz, aber auch Rassismus und Unsensibilität für die sozialen Verhältnisse im Land attestiert Yaku Pérez den Verantwortlichen. Der Attentatsversuch und die Morddrohungen gegen Leonidas Iza sind dafür Beispiele. Das Verhandlungsambiente war dementsprechend konfliktreich. Kabinettschef Francisco Jiménez hat es gemeinsam mit den Kirchenvertretern entschärft.

Positiv ist auch, dass in 90 Tagen ein Runder Tisch mit Vertreter*innen von Regierung, indigenen Organisationen sowie der katholischem Kirche als Garantin die Umsetzung des Abkommens überprüfen soll, so Mario Melo, Menschenrechtsanwalt und Professor der Päpstlichen Katholischen Universität von Ecuador. »Was wir für die Zukunft jedoch brauchen, ist ein permanenter Dialog, Kanäle, die dafür sorgen, dass es nicht immer wieder zum offenen Konflikt kommt«, sagte er »nd«. Das würde auch Yaku Pérez begrüßen. Allerdings ist er skeptisch, dass die derzeitige Regierung dazu willens und in der Lage ist.

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