Aufbruch in der Friedensbewegung

Aktivist*innen demonstrieren in Berlin gegen das Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Sonntag herrschte bei der dreieinhalbstündigen digitalen Aktionskonferenz der Friedensbewegung großer Redebedarf. Der Andrang war so groß, dass die Redezeit auf zwei Minuten verkürzt werden musste. Viele sprachen von einer Aufbruchstimmung für eine neue Friedensbewegung. Dazu hat auch die Demonstration beigetragen, die am Samstagmittag unter dem Motto »Wir zahlen nicht für eure Kriege« mehrere Stunden durch die hochsommerliche Mitte Berlins gelaufen ist.

Rund 130 Gruppen hatten zu der Demonstration aufgerufen. Das Spektrum reichte von kommunistischen Parteien bis zu Pazifist*innen verschiedener Couleur. Einige Transparente lagen gut sichtbar am Bebelplatz, dem Start- und Endpunkt der Demonstrantion. Dort war unter anderem die Parole »Hände weg von Russland« in Deutsch und auf Englisch zu lesen. Dagegen lehnten die Redner*innen allerdings den russischen Angriff auf die Ukraine ab. Zugleich kritisierten sie die Aufrüstungspolitik der Nato und insbesondere das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Man habe das Bündnis bewusst »Zivile Zeitenwende« genannt und damit einen Kontrapunkt zur militärischen Zeitenwende gesetzt, zu der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wenige Tage nach dem russischen Einmarsch aufgerufen hatte, sagte Ida Rockenbach, eine der Organisator*innen der Demonstration, gegenüber »nd«. In der Hochzeit waren nach Angaben der Veranstalter*innen etwa 4000 Menschen unter der sengenden Sonne auf dem August-Bebel-Platz und suchten dort Schatten. Die Hitze sorgte sicher auch dafür, dass der Schlusskundgebung auf dem Platz nicht einmal mehr 1000 Menschen zuhörten.

In ihrem Aufruf schrieben die Friedensbewegten, dass das von der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP angekündigte Aufrüstungspaket von 100 Milliarden Euro im Grundgesetz gestoppt und für die Umwidmung der Mittel zum Ausbau des Sozialstaats gekämpft werden solle. »Rüstungs- und Kriegspolitik stehen immer im Gegensatz zur solidarischen Kultivierung der Gesellschaft. Deswegen engagieren wir uns stattdessen für massive öffentliche Investitionen und dauerhafte Ausgabenerhöhungen für Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur und Klima – zur zivilen, demokratischen und sozialen Wohlentwicklung weltweit«, heißt es in dem Aufruf.

Hervorzuheben waren Reden von Gewerkschafter*innen. Bei der Auftaktkundgebung nannte die langjährige Gewerkschafterin Anne Rieger die Modelle der Rüstungskonversion in Bremen eine Erfolgsgeschichte. Dabei geht es um die Umstellung der Rüstungsproduktion auf die Fertigung sozial und ökologisch sinnvoller Produkte. Auf der Abschlusskundgebung sprachen Basisgewerkschafter*innen aus Griechenland und Italien, die in den vergangenen Wochen durch Streiks Rüstungstransporte der Nato teilweise mehrere Tage behinderten. Die griechischen Gewerkschafter*innen riefen dazu auf, den Kampf gegen die Kriege von Russland und der Nato sowie gegen autoritäre Staatspolitik – ob in Russland, der Ukraine oder Griechenland – zu verbinden.

Junge Menschen waren auf der Demonstration deutlich in der Unterzahl. Allerdings hatten sich einige von ihnen hinter einem Transparent mit dem Motto »Jugend gegen den Krieg« versammelt. Eine andere Gruppe junger Menschen, die zu einem antikolonialen Block auf der Demonstration aufgerufen hatten, entschied sich kurzfristig, doch nicht mitzulaufen. Sie seien von Ordnern rüde behandelt worden, begründete einer der jungen Aktivisten die Entscheidung. Die Gruppe hatte in ihrem Redebeitrag, den sie nun über ein kleines Megaphon verlasen, auf den Zusammenhang von Antimilitarismus- und Klimabewegung aufmerksam machen wollen. Zudem riefen sie zum antimilitaristischen Camp auf, das vom 29. August bis zum 4. September, organisiert vom bundesweiten Bündnis »Rheinmetall entwaffnen«, in Kassel stattfinden soll.

Auf der Aktionskonferenz nannten verschiedene Redner*innen genau diese Zusammenarbeit zwischen Klima- und Antimilitarismusbewegung in der Zukunft besonders dringlich. In Berlin zeigte sich, dass sie manchmal von Ordner*innen mit ihrem autoritären Habitus verhindert wird.

Die meisten Redner*innen der Konferenz nannten die Demonstration am Samstag trotz der Teilnehmer*innenzahl eine Ermutigung. Es gab einige wenige kritischere Stimmen, die allerdings ihre Nichtteilnahme an der Demonstration nicht weiter begründeten. Für die nächsten Wochen hat die Antimilitarismusbewegung mehrere Termine auf der Agenda. Dazu gehören der 6. August, der Jahrestag des Atombombenabwurfs in Japan, und der 1. September als internationaler Antikriegstag. Zudem plant die Friedensbewegung eine weitere bundesweite Großdemonstration am 8. Oktober. Ein Aktionsausschuss soll sie planen.

Dann soll entschieden werden, ob es weitere dezentrale Aktionen in Süddeutschland geben soll, weil viele Menschen die langen Anfahrtswege scheuen. Bei den Aktionen soll auch der Kontakt zu den Gewerkschaften intensiviert werden. Schließlich soll bei den Protesten der Kampf gegen die Aufrüstung mit dem Widerstand gegen Inflation und Energieknappheit verbunden werden.

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