Dreierallianz nicht in allem einig

Russland und Iran ziehen an einem Strang, die Türkei setzt sich ab

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 5 Min.

Wladimir Putin ist zur Zeit neben dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskyj einer der beiden in den Medien meist erwähnten Menschen der Erde. Doch um ihn herum ist es still geworden. Seit Russlands Militär einen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, sind viele Staaten im Westen auf Distanz gegangen, haben Sanktionen verhängt.

An Putins Seite geblieben ist: der iranische Präsident Ebrahim Raeissi, der seit gut einem Jahr das Land regiert. Iran ist selbst seit Jahren von umfangreichen Sanktionen betroffen. Raeissi, ein kompletter Politik-Neuling, der ins Amt kam, weil die Wahl von einem Großteil der Bevölkerung boykottiert wurde, mäandert hilflos von einer Krise zur nächsten: In vielen Regionen ist das Wasser knapp oder schon ganz ausgegangen; die Wirtschaft ist marode. Nach Angaben der Statistikbehörde stiegen die Preise im Juni um 12,2 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lagen die Preise um 52,5 Prozent höher.

Am Dienstag werden sich Putin und Raeissi in Teheran treffen. Wie groß die Bedeutung dieser Partnerschaft für beide Seiten ist, zeigt sich daran, dass es schon das dritte Mal in diesem Jahr ist, dass die Beiden persönlich miteinander sprechen. Mit dabei sein wird aber voraussichtlich auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der Putin um einiges kritischer gegenübersteht und zudem einem Nato-Mitgliedsstaat vorsteht.

Die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei sind nicht frei von Spannungen. Im Februar hatte die türkische Regierung unter Berufung auf den Vertrag von Montreux den Bosporus für russische Kriegsschiffe geschlossen. Das ist nicht nur ein Problem für die russischen Militärbasen und Truppen in Syrien, sondern auch für die Erfüllung von Verträgen: Russland hat mit Algerien die Lieferung von Rüstungsgütern vereinbart. Und in El Dabaa will Rosatom in den kommenden Monaten mit dem Bau des ersten Atomkraftwerks in Ägypten beginnen – was wegen der Sanktionen nun auf der Kippe steht.

Über die geplanten Gesprächsthemen beim Treffen ist so gut wie nichts bekannt. Sicher dürfte sein, dass die Situation in Syrien thematisiert wird. Russland und der Iran unterstützen dort den Präsidenten Baschar al-Assad; die Türkei hat sich auf die Seite von Oppositionsgruppen gestellt. Putin dürfte deutlich machen, dass er auch weiterhin eine Schlüsselrolle zu spielen gedenkt. So blockierte sein Uno-Botschafter kürzlich im Sicherheitsrat die routinemäßige Verlängerung von Hilfslieferungen über den Grenzübergang Bab al Hawa um ein Jahr und schlug stattdessen nur eine sechsmonatige Verlängerung vor, worauf sich die anderen Mitglieder des Sicherheitsrats schließlich einließen. Dies ist die einzige Route, über die Uno-Hilfen an die syrische Bevölkerung geliefert werden können, ohne von syrischen Regierungstruppen kontrollierte Gebiete passieren zu müssen. Moskau sieht in diesen Lieferungen eine Verletzung der Souveränität Syriens.

Doch auch den Iran selbst nutzt Putin, um seine Gegner in eine Ecke zu drängen, sie zu Zugeständnissen zu zwingen: Jahrelang wurde sehr intensiv über ein neues Atomabkommen verhandelt, das nun so gut wie fertig ist. Doch die russische Regierung, die als eines der ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats mit am Verhandlungstisch sitzt, blockiert nun.

In den vorangegangenen Gesprächen zwischen Raeissi und Putin wurden ein Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie Infrastrukturprojekte im Iran vereinbart. Denn auch wenn es nach außen so aussieht, als sei der Iran ein Musterbeispiel dafür, wie ein Land trotz umfangreicher Sanktionen überleben kann, steht es tatsächlich sehr schlecht.

Würde der Iran stärker in Abhängigkeit von Russland geraten, hätte Moskau auch über die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien Zugang zu Häfen am Persischen Golf. Ähnliches scheint man sich auch vom Bau des Atomkraftwerks in Ägypten zu versprechen, dessen Kosten de facto vollständig von Russland getragen werden würden: Die ägyptische Regierung wäre bei der Energieversorgung nahezu vollständig von Moskau abhängig.

Allerdings: Es gibt auch im Iran selbst Kritik an Raeissis Anbindung an Russland. In sozialen Netzwerken fordern iranische Nutzer*innen eine Öffnung nach Westen und Fortschritte beim Atomabkommen, von dem sie sich eine Aufhebung der Sanktionen versprechen. Und auch prominente iranische Politik-Experten äußern sich skeptisch: »Die Idee, dass, was immer schlecht für die USA und den Westen ist, gut für uns sein muss, ist gefährlich kurzsichtig«, schreibt Diako Hosseini vom Zentrum für strategische Studien in Teheran. Und der Rechtsexperte Mehdi Zakerian sagte im Gespräch mit der den Reformer*innen nahestehenden Zeitung »Scharq«: »Die politische Ausrichtung wird dazu führen, dass andere Staaten in Zukunft sagen: ›Wir haben Probleme mit dem Iran, also werden wir Gewalt einsetzen.‹«

Und tatsächlich: Während der Nahostreise von US-Präsident Joe Biden wurde erkennbar, dass sich um Israel und Saudi-Arabien eine militärische Allianz gegen den Iran bildet.

Vermutet wird aber auch, dass Russland waffenfähige Drohnen im Iran einkaufen wird. Einem Bericht des US-amerikanischen Nachrichtensenders CNN zufolge hatten im vergangenen Monat russische Delegationen mindestens zwei Mal eine iranische Militärbasis besucht. Wie effektiv diese Drohnen sind, ist allerdings unbekannt. Sicher ist jedoch: Würde die russische Regierung Waffen im Ausland zukaufen, wäre das ein Eingeständnis, dass man seine Bestände nicht aus eigener Produktion aufstocken kann.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal