Kulturlobby hat eindeutigen Favoriten

Molkenmarkt soll zeitgemäß und bezahlbar wiederaufgebaut werden

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich sollten die Würfel bereits gefallen sein, wenn es darum geht, wie das historische Areal des Molkenmarkts im Herzen Berlins wiederaufgebaut werden soll. Doch weil aus »privaten und terminlichen Gründen« mehrere Mitglieder des Preisgerichts nicht teilnehmen konnten, wie es hieß, wurde der Termin vom 7. Juli auf »nach den Sommerferien« verschoben worden, wie die Stadtentwicklungsverwaltung mitteilte.

Die Zeit nutzen nun zwei Institutionen der Kulturlobby für ein detailliertes Begründungsschreiben, welchen der beiden Entwürfe, die noch im Rennen sind, sie gern umgesetzt sähen. »Aus unserer Sicht erfüllt der Entwurf von OS Arkitekter die Bedürfnisse kultureller Nutzer*innen und eines sich organisch entwickelnden Quartiers wesentlich besser als der Entwurf von Albers/Malcovati. Deshalb sprechen sich der Rat für die Künste und die Koalition der Freien Szene dafür aus, den Entwurf von OS Arkitekter allen weiteren Planungen zugrunde zu legen«, heißt es in dem diese Woche versandten Schreiben.

Der Entwurf des zwischenzeitlich verstorbenen Architekten Bernd Albers in Gemeinschaft mit der Architektin Silvia Malcovati orientiert sich am Stadtgrundriss von 1910 und setzt mit seiner teils gründerzeitlichen Typologie auf eher schmale Häuser und Townhouses mit Hausbreiten von teils unter vier Metern. Zahlreiche Erschließungskerne mit Aufzügen und Treppenhäusern würden benötigt. »Dadurch und durch die Anzahl der Einzelhäuser steigen Bau- und Betriebskosten. Grundrissveränderungen sind nur sehr eingeschränkt möglich und Barrierefreiheit ist je nach Einheit aufwändig herzustellen«, heißt es in dem Schreiben. Kulturelle Nutzungen würden vor allem in den vom Durchgangsverkehr in der Aufenthaltsqualität beeinträchtigten Randbereichen an der Gruner- und Stralauer Straße angeordnet.

Ganz anders ist die Herangehensweise von OS Arkitekter, die in der Flächenaufteilung auf die Basis einer Skelettstruktur aus Holz mit einem Stützenabstand von 4,80 und 6 Metern setzen. »Durch die Skelettstruktur sind Grundrisse auch später noch variabel und können an wechselnde Bedürfnisse über die Zeit mit großer Flexibilität angepasst werden. Eine geringe Zahl an Erschließungskernen mit Treppen und Aufzügen senkt die Bau- und Betriebskosten und erhöht die Kontaktqualität der Anwohnenden«, nennen die Vertretungen den grundsätzlichen Vorteil dieses Entwurfs.

Außerdem erfolge die Anordnung der kulturellen Nutzungen »im Quartiersinnenbereich mit hoher Aufenthaltsqualität und in Verschränkung mit dem öffentlichen Raum an einem ›Kulturpfad‹ von der Alten Münze zur Ruine der Klosterkirche«.

Ähnlich haben die stadtentwicklungspolitischen Sprecher und die Sprecherin der drei Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und Linke bereits argumentiert. Dabei geht es ihnen neben der Kulturnutzung auch um den Bau bezahlbaren Wohnraums, der durch sehr kleinteilige Strukturen kaum möglich wäre. Auch die Präsidentin der Architektenkammer Berlin, Theresa Keilhacker, und Patricia March, Bereichsleiterin Projektentwicklung bei der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte, die dort bauen soll, sahen nur in größeren Strukturen eine sinnvolle Lösung für die sozialen und ökologischen Ziele Berlins.

Die biografische Verbundenheit von Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (parteilos, für SPD) mit dem verstorbenen Architekten Bernd Albers sorgt bei vielen für die Annahme, dass sie dessen Entwurf stark präferiert. Als einstige Fachpreisrichterin in der Jury zum Molkenmarkt soll sie sich für dessen Entwurf sehr starkgemacht haben. Gemeinsam setzten sich die beiden in der »Planungsgruppe Stadtkern« für eine »Wiedergewinnung der Mitte« ein.

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