Werbung

Minister im Sommerloch

Ulrike Henning will keine Katastrophen herbeigeredet bekommen

Gesundheitsminister Karl Lauterbach warnt vor einer »katastrophalen« Corona-Entwicklung – wenn keine neuen Maßnahmen beschlossen werden. Katastrophal, darunter geht es nicht. Während die Bundesregierung (und damit alle ihre Minister) es für ausreichend hält, dass der Plan für den Herbst erst Ende September konkreter gemacht wird und von vielen Seiten neue Lockdowns und Schulschließungen ausgeschlossen werden, macht Lauterbauch auf Sommerloch-Alarm. Und ignoriert in seiner Argumentation von der Überlastung der Intensivstationen wegen ausfallenden Personals völlig, dass die Beschäftigten in Krankenhäusern schon jetzt wegen eigener Infektionen und Folgen nicht einsatzfähig sind. Dass der Pandemiebonus für viele Pflegekräfte nur ein schwacher Trost war angesichts dauernder Überlastung und dass weiterhin nicht wenige in der Berufsgruppe sich ausgebrannt fühlen und über einen Ausstieg nachdenken – geschenkt.

Hier gibt es ein Dauerproblem, das in das Ressort des Ministers fällt. Aber der SPD-Politiker malt lieber das Schreckensszenario eines Herbstes »ohne Masken, ohne alles« in bunten Farben aus. Um dann abzuwiegeln, dass die Maßnahmen ja in Vorbereitung seien, in vertraulichen Verhandlungen etwa mit dem FDP-geführten Justizministerium. Damit niemand auf die Idee kommt, hier vertrödelt einer die Zeit. Der Gesundheitsminister hat damit seinem Ruf als Kommunikations-Kamikaze eine weitere unrühmliche Episode hinzugefügt. Was die Stärkung der Pflege betrifft, sollte er sich an den Universitätskliniken in seinem Heimat-Bundesland Nordrhein-Westfalen umhören. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort haben nach ihrem erfolgreichen Streik für einen Entlastungstarifvertrag bestimmt noch ein paar weitere Ideen. Etwas mehr Einsatz bei diesem Thema wäre wertvoller als Gefälligkeitsbesuche bei US-Impfstoffherstellern.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.