• Berlin
  • Christopher Street Day

Homophobe Gewalt in der CSD-Nacht

Hunderttausende demonstrierten und feierten in der Hauptstadt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) schwärmte Samstagnacht auf Twitter von der Demonstration zum Christopher Street Day in Berlin: Die Kundgebung für die Rechte von Homosexuellen und Menschen aller sexuellen Orientierungen sei »grandios, friedlich, politisch« gewesen. »Es war ganz wunderbar. Danke, Berlin!«

Unter dem Motto »Vereint in Liebe – Gegen Hass, Krieg und Diskriminierung« zogen am Samstag Hunderttausende zum Brandenburger Tor. Die Polizei meldete 350 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Veranstalterinnen und Veranstalter sprachen sogar von 600 000. Von der großen Demonstration und anderen Veranstaltungen drumherum am Samstag sei ein starkes Signal ausgegangen, sagte Sprecherin Sandrina Koemm-Benson am Sonntag. »Wir sind viele, und wir sind laut. Und wir lassen uns nicht den Mund verbieten. Wir stehen für unsere Rechte ein.« Der CSD habe einmal mehr gezeigt, dass man politische Ziele auch mit viel Spaß vertreten und damit viele Menschen überzeugen könne.

Rund 950 Polizeibeamtinnen und -beamte waren im Einsatz. Polizei und Veranstalter bilanzierten übereinstimmend, dass es keine großen Zwischenfälle gab.

Für die Zeit nach der Veranstaltung gilt das leider nicht. Die Polizei meldete gleich zwei gewalttätige, mutmaßlich homophobe Attacken in Mitte. In der Nähe des Fernsehturms wurden gegen 20 Uhr drei 15 bis 17 Jahre alte Jugendliche, zwei junge Frauen und ein junger Mann von einer neunköpfigen Gruppe zunächst homophob beleidigt, »vermutlich aufgrund ihrer Bekleidung«, wie es im Polizeibericht vom Sonntag heißt.

»Als die 16-Jährige den Rädelsführer zur Rede stellte, schlug dieser ihr die Mütze vom Kopf und stellte ihr ein Bein, so dass das Mädchen zu Boden stürzte. Als die Jugendliche wieder aufstand, erhielt sie von dem Unbekannten einen Faustschlag ins Gesicht. Anschließend rannte der junge Mann in Richtung Rathausstraße davon«, so der Bericht weiter. Die Attackierte erlitt eine Wunde an der Lippe. Das Absuchen der Umgebung nach dem Täter durch alarmierte Einsatzkräfte sei erfolglos gewesen.

Gegen 3.15 Uhr in der Nacht zum Sonntag wurde zudem nahe des Hackeschen Markts laut Polizei ein 32-Jähriger »aus einer Gruppe heraus zu Boden gestoßen und am Boden liegend gegen den Kopf und Oberkörper getreten« worden. Eine 39-jährige Zeugin habe sich schützend vor den Attackierten gestellt, woraufhin die Gruppe sich entfernt habe. Zunächst soll der Mann homophob beleidigt worden sein. »Als er dann davonrannte, wurde er von der Gruppe eingeholt und körperlich angegangen. Bei dem Übergriff erlitt der Mann Hautabschürfungen sowie Hämatome und eine Platzwunde«, so die Polizei weiter. In beiden Fällen habe der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung aufgenommen.

Desillusioniert schreibt ein Nutzer auf Twitter, »nach einer kleinen Pause« auf dem CSD Berlin sei es »zurück in den hetero-sexistischen Normalwahnsinn« gegangen. »Zwei Frauen von der Pride werden als Lesben verspottet, blöd angemacht, drei Typen laufen ihnen hinterher, und weil die Frauen ihre Anmache mit nem Spruch und Ignoranz quittieren, setzt es sexistische Sprüche«, berichtet er, kaum dass man die Route verlassen habe. Das sei »kein krasser Vorfall. Durch den Kontrast zu der Atmosphäre auf dem CSD wird aber erst so überdeutlich, woran wir uns im Alltag gewöhnt haben«, konstatiert er. »Dieses ständige Abchecken, ob die nächste Männer-Gruppe homophob, sexistisch, potenziell gewaltbereit ist«, sei nichts Neues. Er habe das aber »heute wieder sehr klar gespürt«.

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