Hartnäckige Liebe zum Rasen

Mit der Wasserversorgung könnte es in diesem Jahr in Teilen Kaliforniens sehr eng werden

  • Anjana Shrivastava
  • Lesedauer: 4 Min.

Im südkalifornischen Volksmund heißen sie »water cops«, Wasserpolizisten. Sie sind Mitarbeiter der Bezirksverwaltung, die die Rasenflächen kontrollieren. Wo das Gras verdächtig grün ist oder gar verschwendete Wasserreste auf dem Gehsteig erkennbar sind, werden die zuständigen Haushalte mit Geldstrafen oder gar einem Wasserstopp für den Gartenbereich konfrontiert.

Die Grashalme sind in Südkalifornien nur die Spitze des Problems, aber keinesfalls ein unwichtiger Aspekt. Die Wasserbehörde des Bundesstaates musste in diesem wie im letzten Jahr 95 Prozent der Wasserzufuhr aus der Sierra Nevada an die Städte absagen. Seit einem Jahrhundert wird Schmelzwasser aus der Schneedecke aus den hohen Bergen nach Kalifornien umgeleitet, um aus der Semi-Wüste eine grüne Oase zu gestalten. Aber seit dem Jahr 2000 gibt es eine sogenannte Megadürre. Eine Dürre, die Jahrzehnte dauert.

Bis jetzt gab es in diesem Jahr weniger Regen als jemals zuvor seit Beginn der Aufzeichnung. Der trockene Frühling folgte einem trockenen Winter, der die Schneedecke in den Bergen nicht nachfüllte; die Stauseen schrumpfen. Der Wissenschaftler Park Williams, der Baumringe an der University of California analysiert, sieht bereits eine ernsthaftere Dürre als die Megadürre des 16. Jahrhunderts. Die heutige Trockenheit, die weitgehend von Menschen verursacht wird, ist somit laut Williams und seinen Kollegen die schlimmste Dürre seit dem Jahr 800.

Rund 85 Prozent des umgeleiteten Wassers für die südkalifornischen Städte floss bisher in die Gärten der Bewohner. Die Bewohner lieben den perfekten Rasen. Aber nun steht die Wasserpolizei dazwischen. Nirgendwo ist sie strenger als in Las Virgenes, am Fuß des Santa-Monica-Gebirges, wo 77 000 Einwohner ihre Rasen nur für acht Minuten einmal in der Woche sprengen dürfen. In den letzten sieben Monaten wurde ein Viertel der Haushalte angemahnt, auch in Calabasas County, wo die Reichen und Berühmten wohnen, in Häusern, die bis zu 30 Millionen Dollar wert sind.

Bei 40 Anwesen wurde schon ein Wasserstopp im Garten verhängt, bei über 2000 Haushalten steht ein solcher kurz bevor. Einer davon ist eine Villa im toskanischen Stil, die dem Reality-Fernseh-Star Kim Kardashian gehört. »Alle in dem Bezirk arbeiten sehr hart daran, Wasser zu sparen, auch Frau Kardashian«, gab ihre Sprecherin bekannt. Ihr Nachbar Sylvester Stallone protestierte gegen die Einschränkungen: 500 Bäume auf seinem Grundstück brauchen das Wasser, das in den Rasen fließe. Auch Gartenpflege-Firmen in der Region, die 50 Prozent ihrer Umsätze in diesem und letzten Jahr eingebüßt haben, sind der Meinung, dass Bäume unter dem Wasserentzug leiden.

Nun kommt das ganze Spektrum der amerikanischen Kreativität in dieser Krise zum Zuge. Wer die Wasserbehörde nicht bekämpfen will, wendet sich anderen Optionen zu. Das Wall Street Journal schätzt, dass ein Drittel der Kalifornier mittlerweile ihren Rasen mit nichttoxischen
Farben grün färben. Eine Praktik, die sich früh in der Megadürre entwickelte. Hauseigentümer, die ihre Häuser verkaufen wollten, verwendeten die Farbe als Werbemittel. Eine Firma namens »LawnLift«, analog zu Facelift, bewirbt ihre Dienstleistung offensiv als eine Art kosmetische Prozedur, die bekanntlich in Südkalifornien sehr beliebt ist. Sogar in den exklusiven Gärten des Adelaide Drive am Santa Monica Canyon gibt es nun die Alternative des Kunstrasens in Farben wie »Frühlingsroggen« und »vista naturale«.

Anderswo in Kalifornien, in dem etwas weniger heftig betroffenen San Francisco, ist es dagegen schick, den Rasen naturbraun werden zu lassen. Viele recyceln Haushaltsabwasser aus Bad und Waschmaschine, sogenanntes graues Wasser, und pflanzen in ihren Gärten Sorten wie einheimischen Salbei, kalifornischen Mohn und Flieder, die bis zu 70 Prozent weniger Wasser brauchen als der Rasen. Die Stadt San Francisco veranstaltete einen Wettbewerb für den »hässlichsten Garten« und wirbt mit Sprüchen wie »Braun ist das neue Grün«. Der Sieger erhielt einheimische Pflanzen.

Doch die Liebe zum Rasen bleibt hartnäckig: Eltern entgegnen, dass Kinder kaum in Kaktus- und Steingärten spielen könnten. Daher erlaubt die Stadt Las Vegas ab 2026 das Rasengießen nur Einfamilienhäusern, allen anderen nicht. Im letzten Jahr verlangte Gouverneur Gavin
Newsom darüber hinaus, dass Bürger ihre Duschzeit um 15 Prozent reduzieren und alle Wasserrohre auf Lecke überprüfen sollen. Doch laut Mercury News stieg der Wasserverbrauch in Kalifornien seit 2020 um fast 19 Prozent.

In den letzten Wochen fing die Wasserbehörde von Los Angeles auch damit an, Wasserpolizisten einzusetzen. Der Chef-Wasserpolizist von Calabas County, Cason Gilmer, sagt dem »Wall Street Journal«, dass er seine Mission weniger als Gesetzesvollstreckung denn als Bildungsauftrag empfindet: »Außerdem halten mich meine Kinder jetzt für den Coolsten«.

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