Frischer Wind für den Flugplatz Drewitz

Nach mehreren gescheiterten Ansätzen entwickelt sich ein CO2-neutrales Gewerbegebiet

Jochem Schöppler (l.) erklärt dem Abgeordneten Görke die geplante Bahnanbindung des ehemaligen Flugplatzes Drewitz.
Jochem Schöppler (l.) erklärt dem Abgeordneten Görke die geplante Bahnanbindung des ehemaligen Flugplatzes Drewitz.

Auf der Herrentoilette lösen sich ein paar Fliesen von der Wand, doch ansonsten ist das kleine Terminal noch sehr gut in Schuss. Zu DDR-Zeiten waren auf dem Flugplatz Drewitz Jagdflieger und -bomber der Nationalen Volksarmee stationiert, nach der Wende landeten hier mal die Fußballmannschaften, die in der Bundesliga gegen den FC Energie Cottbus antraten. Nach einigen Eigentümerwechseln und geplatzten Träumen – einst wollten US-Investoren hier Luftfracht umschlagen – war 2019 endgültig klar, dass der Luftverkehr an diesem Standort keine Zukunft hat.

Jetzt hat die Euro Movement GmbH übernommen. »Wenn es schwierig wird, laufe ich warm«, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Jochem Schöppler. Die anderen vier Gesellschafter seien wie er selbst »alle keine Millionäre«, sondern kleine oder mittelständische Unternehmer. »Wir haben alle Kinder. Wenn wir hier etwas machen, dann soll es nachhaltig sein«, erklärt Schöppler. »So entstand die Idee, CO2-neutrale Firmen anzusiedeln.«

209 Hektar umfasst das Gelände. Am Waldsaum hinter der 2800 Meter langen Start- und Landebahn sind Solaranlagen zu sehen. »Das sind leider nicht unsere«, stellt Schöppler klar. Das Land dort hinten gehöre seiner GmbH schon nicht mehr. Aber 30 Prozent der Flugplatzfläche sollen künftig zur Erzeugung erneuerbarer Energie verwendet werden. Geplant ist, Windräder zu errichten. Die restliche Fläche soll als Gewerbegebiet entwickelt werden. Zwei Investoren haben schon fest zugesagt, darunter eine Firma, die klimaneutral Grillholzkohle produziert. Ein Investor hat sein Stück Land am Flughafen schon gekauft. Mehrere hundert Arbeitsplätze sollen allein durch diese beiden Ansiedlungen entstehen. In acht Jahren, so hofft Schöppler, werde es hier 2000 bis 2500 Jobs geben. Wichtig ist ihm, dass die Ansiedlungen nicht bloße Filialen großer Konzerne sind, die anderswo ihre Steuern zahlen. Es soll etwas hängen bleiben beim Amt Peitz, das früher gut dastand durch Einnahmen von der Braunkohleindustrie. Doch dann brachen vor einigen Jahren die Gewerbesteuern ein.

»Davon hat sich das Amt bis heute nicht erholt«, bestätigt Amtsdirektorin Elvira Hölzner. Das sogenannte Green Areal Lausitz auf dem alten Flugplatz Drewitz soll das ändern. »Wir sind zum Erfolg verdammt«, meint Hölzner. Sie lächelt zuversichtlich.

Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) schaut am Donnerstag bei seiner Sommertour vorbei. Von Geschäftsführer Schöppler lässt er sich die Pläne für eine Bahnanbindung erläutern. 2026 oder spätestens 2027 soll das Gleis liegen.

»Mit der Bahnanbindung könnte es diesmal klappen«, urteilt der Abgeordnete Görke. Er weiß von den bisher gescheiterten Projekten. Nach den enttäuschten Hoffnungen auf einen Frachtflughafen will niemand vorschnell in Begeisterung über das Konzept des CO2-neutralen Gewerbegebiets ausbrechen. Aber was Schöppler erzählt, scheint Hand und Fuß zu haben.

Ansiedlungen seien der Ausweg aus der finanziellen Misere für die im Amt Peitz zusammengeschlossenen Gemeinden, glaubt Politiker Görke. Drei der Gemeinden versagte die Kommunalaufsicht gerade erst die Genehmigung ihres Haushalts. Die Gemeinde Teichland ist hoch verschuldet. Sie kann nicht warten, bis Ansiedlungen irgendwann wieder mehr Geld in die Kassen spülen. Auch für die dringende Erweiterung der niedersorbischen Krabat-Grundschule in Jänschwalde-Ost um zwei Klassenräume braucht das Amt Peitz schnell Geld.

Görke, der bis 2019 brandenburgischer Finanzminister war, versucht, Tipps zu geben. Er erkundigte sich nach der Summe, die notwendig wäre, um eine geräumige Holzhütte hinter der Grundschule so umzurüsten, dass sie für den Unterricht verwendet werden kann. Weil eine Heizung eingebaut werden muss, kommen mindestens 150 000 Euro zusammen. Das sei zu viel, um an Lottomittel zu denken, erklärt Görke. Er rät, an Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) heranzutreten und den Sorbenausschuss des Landtags einzuschalten. Immerhin gehe es hier auch um die Belange der kleinen slawischen Minderheit.

Bei seiner Sommertour hat Görke verschiedene Schwerpunkte: Er besuchte beispielsweise 15 Bahnhöfe in Brandenburg und schaute sich an, wo die Barrierefreiheit zu wünschen übrig lässt. Auch ein positives Beispiel war dabei: der vorbildliche Cottbuser Hauptbahnhof. Für unzumutbar hält Görke die Verhältnisse in Lauchhammer. Dort führe eine nur per Treppe erreichbare Brücke über die Gleise. Eine Mutter müsste mit ihrem Kinderwagen 1,5 Kilometer Umweg über einen Schotterweg zu einem Bahnübergang nehmen. »Da bekommt das Kind, glaube ich, eine Gehirnerschütterung«, berichtet Görke entgeistert. An diesem Freitag will er die Bahnhofstour mit dem Regionalbevollmächtigten der Deutschen Bahn auswerten. Die 20 Millionen Euro zusätzlich, die der Bund 2023 deutschlandweit für die Bahnhöfe spendieren will, sind laut Görke viel zu wenig. Schließlich seien allein in Brandenburg 200 Stationen nicht komplett barrierefrei und nur ein Aufzug in Lauchhammer würde schon 300 000 bis 400 000 Euro kosten.

Vor 7 Uhr ist Görke am Donnerstag aufgebrochen. Er besucht bis 17 Uhr noch einen Abenteuerspielplatz in Cottbus-Sachsendorf, bevor er die mehrstündige Heimfahrt nach Potsdam antritt. Die Arbeitsbelastung eines Bundestagsabgeordneten habe er unterschätzt, gibt Görke zu. Zu einem Sommerurlaub ist er dieses Jahr noch nicht gekommen. Ende August will er sich eine Woche gönnen.

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