Ausreichend Busse, aber zu wenig Fahrer

Berliner Verkehrsbetriebe kündigen Notfahrplan nach den Sommerferien an

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) werden im Busnetz nach dem Ende der Schulferien am 22. August nicht zum regulären Fahrplanangebot zurückkehren. Rund drei Prozent weniger Leistung als vereinbart sollen dann erbracht werden. »Die aktuelle Pandemieentwicklung macht auch vor den Verkehrsbetrieben nicht halt – in Kombination mit einer angespannten Arbeitsmarktlage führt dies leider dazu, dass die BVG das Angebot im Busbereich nach den Ferien leicht anpassen muss«, heißt es zur Begründung.

Erst im Januar hatte die BVG das Busangebot in zwei Schritten um zunächst drei und dann knapp fünf Prozent gekürzt, damals wegen coronabedingt hoher Krankenstände. Welche Linien diesmal betroffen sind, wollen die Verkehrsbetriebe demnächst mitteilen. Ein Blick zurück dürfte helfen, die Kürzungskandidaten zu identifizieren.

Auf den Linien M27, M43, M44 und M46, X11, X21 und X83 sowie 100, 181 und 245 wurde jede zweite bis dritte Fahrt gestrichen. »Fest steht: Alle Linien und Haltestellen werden weiter bedient. Auch der Schüler*innenverkehr wird natürlich nicht eingeschränkt«, heißt es von der BVG.

Aufhorchen lässt, dass diesmal als Begründung nicht nur der hohe Krankenstand, sondern auch der grundsätzliche Mangel an Fahrpersonal genannt wird. Auf Nachfrage von »nd«, wie viele der rund 5300 Stellen der Fahrerinnen und Fahrer denn nicht besetzt sind, hält sich die BVG wie gewohnt bedeckt.

Besonders prekär war die Lage bei den Verkehrsbetrieben bis zum Tarifabschluss 2019, der deutliche Einkommenssteigerungen mit sich brachte. In der Folge wechselten nicht wenige Fahrerinnen und Fahrern von Betrieben im Umland zur BVG. Doch dieser Vorteil scheint nun aufgezehrt. Bei Straßenbahnen und U-Bahnen stellt sich die Lage nicht so schwierig dar. Experten vermuten, dass das einerseits mit den geschlossenen Kabinen zusammenhängt, über die das Personal dort verfügt, und andererseits mit der auch bei der Tram größeren Entkopplung von der nervenaufreibenden Verkehrssituation auf den Straßen der Hauptstadt.

Einen weiteren »Rückschlag für die angestrebte Mobilitätswende« nennt der Berliner Fahrgastverband IGEB die angekündigte Fahrplanausdünnung. »Richtig ist, dass der Fachkräftemangel bei Busfahrerinnen und Busfahrern so gravierend ist, dass schon seit Längerem personell am Limit gefahren wird. Richtig aber ist auch, dass die BVG 100 zusätzliche Busfahrerinnen und Busfahrer benötigt, weil zu viele ihrer Linien im Stau stehen«, so die Fahrgastvertreter.

Die IGEB fordert – nicht zum ersten Mal – »das Einrichten von Pop-up-Busspuren ganz nach dem Motto: Was dem Radverkehr recht ist, darf dem ÖPNV nur billig sein.« Konkret soll beispielsweise die Linie 165 zwischen Treptower Park und Bahnhof Schöneweide eine eigene Spur bekommen, ebenso die Linie 166 auf der Südostallee Richtung Schöneweide, die Linie M45 zwischen Zoo und Spandau sowie die Linien X34 und M49, ebenfalls von Zoo bis Spandau. Teilweise müssten es kombinierte Spuren für Busse und Räder werden.

Bundesweit ist der Mangel an Busfahrerinnen und Busfahrern ein gravierendes Problem. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen, der nur den privaten Teil der Branche vertritt, schätzt, dass von 60 000 Stellen derzeit fast zehn Prozent nicht besetzt sind. Bei den kommunalen Unternehmen sieht es nicht viel besser aus. Dabei wird angesichts der Verkehrswendeziele von Bund und Ländern bis 2030 fast doppelt so viel Personal wie derzeit benötigt.

In Brandenburg sind derzeit wegen Personalmangels unter anderem bei der DB-Tochter Busverkehr Oder-Spree die Stadtverkehre in Eisenhüttenstadt, Erkner und Fürstenwalde ausgedünnt. Auch die Verkehrsgesellschaft Oberspreewald-Lausitz mbH hat Einschränkungen im Stadtverkehr Senftenberg angekündigt. Und auch in Potsdam und Brandenburg/Havel gibt es immer wieder Personalprobleme.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal