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Nichts ist gut

Ein Jahr nach dem Rückzug der westlichen Truppen ist Afghanistan den Krieg los, aber keineswegs befriedet

»Nichts ist gut in Afghanistan« – die pessimistische Feststellung der Theologin Margot Käßmann, geäußert in der Neujahrspredigt am 1. Januar 2010, hat einen langen Nachhall. Damals ging es um die Unfähigkeit der westlichen Alliierten, in Afghanistan mit militärischen Mitteln einen gesellschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen, um das Leid und das Chaos, das dieser Krieg über das Land am Hindukusch gebracht hat.

Zwölfeinhalb Jahre später sind die westlichen Truppen aus Afghanistan verschwunden. Hals über Kopf flohen sie vor einem Jahr aus Kabul und den anderen Stützpunkten, nachdem zuerst die USA ihren Rückzug erklärt und begonnen hatten. Die Afghanen blieben auf den Trümmern eines vermeintlichen Antiterror-Einsatzes sitzen, der die vorhergehenden Kriegsjahrzehnte nur verlängert hat. Jetzt, da die selbsternannten Schutzmächte weg sind, bleiben die Bewohner einem Taliban-Regime ausgeliefert, das eine Art religiöser Diktatur anstrebt, auf die paar Versprechen auf gemäßigtes Regieren vom letzten Jahr pfeift und längst wieder sein hässliches Gesicht zeigt.

Der Westen hätte allen Grund zu Scham und ätzender Selbstkritik. Sein Krieg gegen den Terror galt viel weniger einer Modernisierung und Demokratisierung des Landes als vielmehr dem Ziel, sich ein Problem vom Leibe zu halten. Wäre es den westlichen Alliierten vor allem um die Menschen in Afghanistan gegangen, dann wären nicht über Jahrzehnte Unsummen in korrupten Kanälen verschwunden – und dann wäre es nicht zu diesem überstürzten, selbstsüchtigen Rückzug gekommen, der viele einheimische Mitarbeiter schutzlos zurückließ. Die Afghanen sind zwar den Krieg los, sie haben aber ein zerstörtes, keineswegs befriedetes Land und ein mittelalterliches Regime. Nichts ist gut in Afghanistan.

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