Kein Platz für Plätze

In Friedrichhain-Kreuzberg tobt der Kampf um Sportflächen

Welcome to the Wrangel: In Kreuzberg mag man keine Zäune.
Welcome to the Wrangel: In Kreuzberg mag man keine Zäune.

Eigentlich ist der FSV Hansa 07 eine Erfolgsgeschichte. "Der Verein wurde schon im Jahr 1907 gegründet, aber seit 2009 haben wir uns mehr als verdreifacht", sagt Yasmin Ranjbare, Vorsitzende des Fußballvereins aus Kreuzberg. In den zurückliegenden 13 Jahren sei die Mitgliederzahl von 350 auf mittlerweile rund 1300 Sportler*innen gestiegen. Neben seiner zentralen Lage im Wrangelkiez ist es wohl auch das Vereinskonzept, das überzeugt. Ranjbare macht klar: "Wir sind ein Kiezfußballverein. Es geht einzig und allein darum, dass die Leute, die hier wohnen, bei uns Sport machen können." Leistung sei dabei erst einmal zweitrangig. Wer immer Lust auf Fußball verspüre, könne ohne Probetraining direkt einsteigen. Die Vorsitzende nennt es "Amateursport, wie er sein sollte".

Doch Hansa 07 hat ein Problem: Die explodierenden Mitgliederzahlen bringen den Verein mit seinen dürftigen Anlagen in Schwierigkeiten. An der Wrangelstraße teilt sich der Club Sportplatz und Trainingshalle mit dem Oberstufenzentrum Handel 1 – mit zuletzt rund 4000 Schülern eine der größten Berufsschulen Deutschlands. Täglich ab 16 Uhr ist es aber der Verein, in dessen Verantwortung es dann auch liegt, den Platz zu pflegen und auszulasten. Hierfür erhält er finanzielle Unterstützung vom Bezirk. Verwaltet wird das Gelände von der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM).

Wie der Verein unter anderem kritisiert, fehlt es dem Sportplatz an Funktionsgebäuden. Abhilfe schaffen sollen am Rande des Spielfelds aufgestellte Umkleidecontainer sowie Toiletten im Schulgebäude, die das Oberstufenzentrum zur Verfügung stellt. Mit der momentanen Lösung will und kann sich Hansa 07 laut Ranjbare allerdings nicht zufriedengeben. "Wir brauchen eigene Funktionsräume und eine zweite Sportfläche", sagt die Vorsitzende.

Verschwinden müsse auch eine Umzäunung, veranlasst durch die Schule, die im Verein für Ärger sorgt. "Vor etwa einem Jahr lagen da plötzlich Zaunteile rund um den Platz", sagt die Vorsitzende. Von einem Tag auf den anderen und ohne Absprache mit dem Verein sei ein Zaun errichtet worden, der die Möglichkeiten des Clubs weiter einschränke. "Früher kamen manchmal mehr als 300 Leute, um einem Spiel zuzusehen, heute haben die keinen Platz mehr." An Bälle, die über den Zaun fliegen, sei kaum noch heranzukommen.

Der Grund für die Umzäunung sei die "unberechtigte Nutzung durch Dritte und damit verbundener erheblicher Vandalismus", heißt es auf nd-Anfrage von der Senatsbildungsverwaltung, in deren Verantwortungsbereich die öffentlichen Berliner Berufsschulen liegen. Gegebenenfalls seien sogar weitere Schutzmaßnahmen notwendig. "Dass das offenbar unzureichend Richtung Verein kommuniziert wurde, ist bedauerlich."

Hansa 07 und seine Vorsitzende wollen das nicht gelten lassen. "Das eine der beiden Tore steht ohnehin offen. Da kommt rein, wer will", sagt Ranjbare. Sie will, dass sich der Verein von der Schule löst. Ein neuer, zweiter Sportplatz soll dann auch anderen Vereinen im Kiez zugutekommen. "Am Geld liegt es nicht, das Problem sind die Genehmigungen", sagt Ranjbare.

Und tatsächlich schien Hansa 07 vor rund drei Jahren bereits auf einem guten Weg. "In der letzten Wahlperiode wollten wir als Bezirk den Bau eines weiteren Großspielfeldes für die Investitionsplanung vorantreiben", teilt das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg auf nd-Anfrage mit.

Gescheitert sei das Vorhaben allerdings an der Bildungsverwaltung. Diese habe das Schulgelände des Oberstufenzentrums erweitern wollen und argumentiert, dass kein Platz für ein weiteres Spielfeld zur Verfügung stehe. "Deshalb kam es nicht zur Erstellung eines Bedarfsprogramms und folglich auch nicht zur Anmeldung der Maßnahme in der Investitionsplanung", heißt es aus Friedrichshain-Kreuzberg. Wegen fehlender Zuständigkeit für die Oberstufenzentren sind dem Bezirk die Hände gebunden.

Das Haus von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) wiederum sieht sich nicht zuständig: "Wir als Senatsverwaltung für Bildung bauen oder finanzieren in der Regel keine Sportplätze." Und: "Das Angebot von Sportflächen für Sportvereine liegt in der Verantwortung des Bezirks." Das Oberstufenzentrum habe, ebenso wie Hansa 07, Interesse an einem weiteren Spielfeld bekundet, dessen Planung "zu Gunsten von Schulplätzen" zurückgestellt worden sei. Nach wie vor stehe die Schule den Absichten des Vereins offen gegenüber. Nur: Wo und wie ein zweiter Platz jemals verwirklicht werden könnte, scheint niemand zu wissen.

"Gerade mit ungedeckten Sportflächen ist der Bezirk sehr stark unterversorgt", gibt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg an. Insgesamt seien 163 Vereine mit mehr als 55.000 Mitgliedern im Bezirk ansässig, die sich auf 94 Sportflächen aufteilen. Die dichte Bebauungsstruktur erschwere die Lösungsfindung massiv, aktuell seien schlichtweg keine Flächen für den Ausbau der Sportinfrastruktur vorhanden. "Die bezirklichen Sportanlagen sind zu 100 Prozent ausgelastet, sodass die Vereine kaum Wachstumsmöglichkeiten haben", führt das Bezirksamt aus. "Dies ist eine Tatsache, die alle bezirklichen Vereine betrifft."

Wie der Landessportbund Berlin gegenüber "nd" erklärt, fehlen rein rechnerisch 37 Großspielfelder allein für Friedrichshain-Kreuzberg. Der Zusammenschluss diverser Fachverbände aus dem Amateursport spricht Hansa 07 seine Unterstützung aus: "Letztlich kommt eine Ausweitung von Nutzungszeiten durch mehr Sportflächen allen Vereinen im Bezirk zugute." Ganz generell falle es in der Hauptstadt schwer, dem Sportbedürfnis der wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden. "Da ist jede Bemühung um einen weiteren Sportplatz willkommen."

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal