Linke sieht Mauer in Schneeberg intakt

Wirbel um offenen Brief aus Stadtpolitik an Habeck

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Kernanliegen der Linken ist klar, der Weg dorthin aber umstritten. Foto: dpa/Swen Pförtner
Das Kernanliegen der Linken ist klar, der Weg dorthin aber umstritten. Foto: dpa/Swen Pförtner

Robert Habeck bekommt dieser Tage viel Post. Auslöser sind die steigenden Gaspreise und die Gasumlage. Ein offener Brief, den Kommunalpolitiker aus der sächsischen Stadt Schneeberg schickten und in dem die Energiepolitik der Regierungskoalition scharf kritisiert wird, sorgt jetzt für Kontroversen. Der Grund: Zu den Unterstützern gehören alle Fraktionen im Stadtrat, darunter sowohl AfD als auch Linke, deren Logos unter dem Brief sogar nebeneinander stehen. Kritiker sprechen von »Querfront«; im Nachrichtenmagazin »Spiegel« heißt es, die »viel beschworene ›Brandmauer gegen rechts‹ ist in dem Brief gefallen«. Nachdem der Leipziger Journalist Arndt Ginzel den Vorfall im Kurznachrichtendienst Twitter publik gemacht hatte, fragte Katharina König-Preuss, Landtagsabgeordnete der Linken in Thüringen, nach »Konsequenzen« durch den sächsischen Landesverband.

Dieser weist Vorwürfe eines Schneeberger Mauerfalls entschieden zurück. In einem Statement auf der Homepage der Partei wird darauf verwiesen, dass der Textentwurf für das Schreiben von Bürgermeister Ingo Seifert (Freie Wähler) erarbeitet und den Fraktionen dann zugeleitet wurde. Die beiden Stadträte der Linken – eine davon ist Kreisgeschäftsführerin im Erzgebirge – habe die Anfrage im Urlaub erreicht; sie hätten zugestimmt, wie auch die übrigen fünf Fraktionen. Danach versandte der Bürgermeister das Schreiben an die Medien. Die Partei betont, es habe »keine Kooperation oder ein gemeinsames oder gar abgestimmtes Agieren mit der extremen Rechten« gegeben. Sie kritisiert stattdessen den Bürgermeister: Man finde es falsch, dass Rechtsextreme »als vermeintlich normale Akteure angefragt werden«.

Inhaltlich geht die Landespartei zu dem von ihren Abgeordneten unterstützten Schreiben freilich teilweise auf Distanz. Die Linke in Sachsen »hätte diesen Brief in bestehender Form … nicht unterschrieben«, heißt es. Verwiesen wird auf die dort formulierte Kritik an Embargos und Sanktionen, die nach Ansicht der Autoren nicht die beabsichtigte Wirkung entfalten, lediglich die »eigene Bevölkerung und Wirtschaft treffen« und hinterfragt oder »bestenfalls revidiert« werden sollten. Die Linke betont, es gebe kein Gasembargo der Bundesrepublik, sondern »eine politische Entscheidung der russischen Führung, weniger Gas zu liefern«. Zudem vermisse man Hinweise darauf, dass »soziale Verwerfungen durch eine kluge Sozialpolitik verhindert werden können«. Genannt werden Gaspreisdeckel und Übergewinnsteuer.

Grundsätzlich betont der Landesverband, man lehne jede Zusammenarbeit mit der extremen Rechten oder eine »Querfront« ab: »Wer so etwas will, ist bei uns in der falschen Partei.« Zugleich warne man davor, Proteste im Zusammenhang mit der Energiepolitik »pauschal zu delegitimieren«. Die Linke hat einen »heißen Herbst« angekündigt, allerdings gibt es Diskussionen darüber, unter welchem Label die Proteste stattfinden sollen. Der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann hat zu »Montagsdemonstrationen« aufgerufen und dabei an die Proteste gegen Hartz IV vor mehr als 15 Jahren erinnert; eine erste Kundgebung soll am 5. September stattfinden. Allerdings nutzen die rechtsextremen »Freien Sachsen« das Etikett seit Jahren für Proteste gegen die Corona-Politik der Bundesregierung, die noch immer in sächsischen Klein- und Mittelstädten stattfinden. Aus diesen Kreisen wird nun auch eine Teilnahme an der Leipziger Protestveranstaltung angekündigt. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte nach Pellmanns Ankündigung eindringlich gemahnt, »die Abstandsregeln zu rechtsradikalen Organisationen« zu beachten.

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