Angolas Jungwähler geben Richtung vor

Regierungspartei MPLA sieht sich mit hohen Lebenshaltungskosten und Wunsch nach Wandel konfrontiert

Er ist zurück. Am 20. August, vier Tage vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Angola, landete in der Hauptstadt Luanda ein Flugzeug mit einer umstrittenen Fracht: dem Leichnam von José Eduardo dos Santos. Der ehemalige angolanische Präsident, der 38 Jahre lang an der Macht war, starb vergangenen Monat in Barcelona, wo er seit 2019 lebte und wegen einer langwierigen Krankheit behandelt wurde.

Mit der Ankunft der sterblichen Überreste von José Eduardo dos Santos wurde ein Streit beendet, der seit dem 8. Juli andauerte. Der Leichnam wurde seiner Witwe, Ana Paula dos Santos, übergeben. Davor tobte vor spanischen Gerichten ein Rechtsstreit zwischen der Witwe und den drei älteren der Santos-Kinder, nämlich Tchizé, Corean Du und Isabel dos Santos. Sie waren gegen die Übergabe des Leichnams an die Witwe und die Überführung der sterblichen Überreste, weil sie vor den Wahlen eine Instrumentalisierung des Staatsbegräbnisses für ihren Vater durch die Regierungspartei befürchteten.

Einige Angolaner versammelten sich auf dem Flughafen von Luanda, um die Rückführung des ehemaligen Präsidenten zu feiern. »Angola ist ein Land, das eine Zeit großer Turbulenzen durchlebt hat, und er ist eine Führungspersönlichkeit, die sich für die Befriedung des Landes eingesetzt hat«, sagte der Beamte Simão Matilde laut dem Portal »Africanews«.

Ausgerechnet sein Nachfolger João Lourenço wollte dos Santos heimholen und ihm ein Staatsbegräbnis zukommen lassen. Dabei hatte der 68-jährige Lourenço, nachdem er 2017 zum Nachfolger von José Eduardo dos Santos gewählt wurde, am Denkmal von dos Santos gerüttelt, bevor es errichtet werden konnte. Schnell ging er gegen große Fische der seit der Unabhängigkeit von Portugal 1975 regierenden MPLA vor, der Lourenço selbst angehört. Er begann mit dem Vorsitzenden der staatlichen Diamantengesellschaft Endiama. Dann kam die Familie seines Vorgängers Eduardo dos Santos an die Reihe: die Tochter Isabel, Chefin der staatlichen Ölfirma Sonangol, sowie ihr Bruder José Filomeno, Vorsitzender des aus Ölgeldern gespeisten Staatsfonds. José Eduardo dos Santos selbst, der von 1979 bis 2017 autokratisch regierte, blieb von Korruptionsermittlungen verschont. Dabei verschwanden allein zwischen 2002 und 2015 nach Berechnungen der Katholischen Universität in Luanda fast 30 Milliarden Dollar aus dem Staatshaushalt. Sie landeten bei den Generälen, der Partei und der Familie des Präsidenten. Das Vermögen von Eduardo dos Santos wurde auf 22 Milliarden US-Dollar geschätzt, das seiner Tochter Isabel auf 3,8 Milliarden.

Die fünften Wahlen in der Geschichte Angolas sind umkämpfter denn je. Paula Roque, Forscherin an der Universität Oxford, blickt mit Sorge voraus: »Ich sehe Anzeichen für eine sehr schwierige Wahl, denn die Opposition ist nur bedingt darauf vorbereitet, die Macht auszuüben, und die Regierungspartei ist nicht im geringsten darauf vorbereitet, die Macht abzugeben«, so die Angola-Expertin gegenüber der »Deutschen Welle«.

Bereits die Erstellung der Wählerverzeichnisse sei durch Inkompetenz und Intransparenz gekennzeichnet gewesen. Für Paula Roque besteht kein Zweifel, dass die »Wahlmaschinerie« parteiisch sei und die Nationale Wahlkommission »nicht unabhängig« agieren werde.

Dass die MPLA, die wieder mit João Lourenço an der Spitze antreten wird, dieses Mal nur leicht favorisiert ist, liegt vor allem an der Gründung der »Vereinigten Patriotischen Front«. Dabei handelt es sich um eine Koalition dreier Oppositionsparteien unter der Führung der Unita, des traditionellen Gegenspielers der MPLA. Die Kriegsparteien MPLA und Unita, die erst 2002 – 27 Jahre nach der Unabhängigkeit von Portugal – Frieden schlossen, kämpften zuerst gemeinsam gegen den Kolonialherrn und seitdem um die Pfründe im vor allem an Erdöl und Gas reichen Staat. Seit 2002 versucht die Unita an den Urnen, die MPLA zu schlagen. Bisher ohne Erfolg.

Das Oppositionsbündnis tritt mit Adalberto Costa Júnior an der Spitze an. »Um einem möglichen Wahlbetrug entgegenzuwirken, plant die Unita die Errichtung einer eigenen, alternativen Stimmauszählungsinfrastruktur«, sagt Journalist José Gama. Der 60-jährige Adalberto Costa Júnior reise deshalb immer wieder ins Ausland – vor allem in die USA und in EU-Länder –, um für diesen Plan zu werben und finanzielle und logistische Unterstützung zu erbitten. Die MPLA versuche ihrerseits, diese alternative Auszählung mit allen Mitteln zu verhindern.

João Lourenço gab sich auf der Abschlusskundgebung zuversichtlich: »Wir haben die Wähler daran erinnert, was diese Regierung fünf Jahre lang getan hat. Obwohl wir die Hälfte dieses Zeitraums mit einer so großen Pandemie wie der Covid-19-Pandemie leben mussten.« Seit seinem Amtsantritt hat sich die Wirtschaft erholt und die Währung ist 2022 gegenüber dem Dollar um 23 Prozent gestiegen.

In Angola sehen das sicher nicht alle so. Mehr als die Hälfte der Angolaner ist unter 30, viele der Wähler wurden sogar nach dem Friedensschluss 2002 geboren. Und gerade die jungen Wähler könnten mit ihrem Wunsch nach Wechsel, den Adalberto Costa Júnior verkörpert, die MPLA in Bedrängnis bringen. Bis heute sind die Ölmilliarden nicht bis zu den Bewohnern der Elendsviertel durchgesickert. Rund zwei Drittel der rund 33 Millionen Einwohner leben unter der Armutsgrenze. Lourenços Heimholung von José Eduardo dos Santos hatte ein Kalkül: So manche ältere Angolaner beginnen, dessen Ära nachzuweinen. Denn unter seinem Nachfolger wurde weniges besser. Derzeit steigen auch in Angola die Lebenshaltungskosten extrem. Doch das Staatsbegräbnis kommt auf alle Fälle zu spät, als dass es bei den Wahlen am Mittwoch noch Glanz auf Lourenço abwerfen könnte.

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