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  • Entlastungen für Klinikpersonal

Auch Frankfurt fordert Entlastung

Verdi verhandelt an der südhessischen Uniklinik über einen Tarifvertrag, der Belastungen Grenzen setzt

  • Daniel Behruzi, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch die Belegschaft des Universitätsklinikums Frankfurt kämpft für einen Entlastungstarifvertrag.
Auch die Belegschaft des Universitätsklinikums Frankfurt kämpft für einen Entlastungstarifvertrag.

»Die Pflege ist meine Leidenschaft«, sagt Rieke Kolbeck. Erst vor zehn Monaten hat die Anästhesie-Pflegerin am Uniklinikum Frankfurt ihre Ausbildung abgeschlossen und betont, sie sei »immer noch verliebt in den Beruf«. Doch die Bedingungen passen ihr nicht: zu wenig Personal, zu viel Arbeitshetze, nicht genug Zeit für die Patient*innen. Das wollen sie und ihre Kolleg*innen nun ändern.

Ermutigt durch die erfolgreichen Arbeitskämpfe für Entlastung in Berlin und Nordrhein-Westfalen fordern die in der Gewerkschaft Verdi organisierten Beschäftigten auch für die rund 4000 nichtärztlichen Mitarbeiter*innen der Frankfurter Uniklinik einen Tarifvertrag Entlastung. Dieser soll personelle Mindestbesetzungen für die Stationen und Bereiche sowie einen Belastungsausgleich in Form zusätzlicher freier Tage umfassen, falls die Regelungen nicht eingehalten werden.

Sowohl bei Vivantes und Charité in Berlin als auch an den sechs nordrhein-westfälischen Universitätskliniken waren wochenlange Streiks nötig, um solche Tarifvereinbarungen durchzusetzen. Ganz so weit ist es in Frankfurt noch nicht. Am Mittwoch wird in der zweiten Runde verhandelt.

Verdi hat detaillierte Forderungen vorgelegt, wie viel Personal in den einzelnen Bereichen vorgehalten werden soll. Auch Beschäftigte außerhalb der Pflege sollen entlastet werden. Zudem fordert die Gewerkschaft verbesserte Ausbildungsbedingungen, zum Beispiel durch die Freistellung von Praxisanleiter*innen und den Ausschluss von sogenanntem Stationshopping, bei dem Azubis kurzfristig auf anderen Stationen aushelfen müssen.

Geht der Arbeitgeber nicht auf diese Forderungen ein, will die Gewerkschaft für Donnerstag und Freitag zu einem zweitägigen Warnstreik aufrufen. »Die Situation ist dramatisch, deshalb brauchen wir ein schnelles Ergebnis«, mahnt Verdi-Verhandlungsführer Georg Schulze. Anders als in Berlin oder NRW hat sich die Frankfurter Klinikleitung rasch zu Verhandlungen über Entlastung bereit erklärt. Doch substanzielle Angebote hat sie bislang nicht unterbreitet. Bleibt das bei den Verhandlungen am Mittwoch so, dürfte der Klinikbetrieb am Donnerstag und Freitag deutlich eingeschränkt werden.

»Wir haben eine sehr hohe Streikbereitschaft«, berichtet die Verdi-Sekretärin Hilke Sauthof-Schäfer. Das drückt sich auch in der dem Klinikum angebotenen Notdienstvereinbarung aus: Über ein Viertel der Stationen und weitere Betten sind darin zur Schließung vorgesehen, in anderen Bereichen soll die Wochenendbesetzung den Notbetrieb aufrechterhalten. Auf diese Weise sollen sowohl die Notfallversorgung als auch das Streikrecht gesichert werden. Lasse sich die Klinikleitung darauf nicht ein, werde Verdi den Notdienst einseitig garantieren, verspricht die Gewerkschafterin.

Der Gesundheits- und Krankenpfleger Eric Dittrich stellt klar: »Diesen Notdienstmodus kennen wir nicht nur von Streiktagen, sondern auch aus dem Alltag.« Als er vor zehn Jahren auf der psychiatrischen Postakutstation anfing, hätten sich im Früh- und Spätdienst in der Regel vier Pflegekräfte um die 18 Patient*innen gekümmert. Heute seien es oft nur zwei, davon manchmal lediglich eine examinierte Kraft.

»So wird es immer schwerer, seinen eigenen Anspruch auf eine qualitativ hochwertige Pflege zu erfüllen«, erklärt Dittrich. Das mache unzufrieden und führe dazu, dass etliche Kolleg*innen ihre Arbeitszeiten reduzieren oder den Beruf ganz aufgeben. »Unter meinen Kollegen arbeitet kaum noch einer 100 Prozent. Die Leute sagen: «Unter diesen Bedingungen schaffe ich das einfach nicht.»

Der Pfleger ist überzeugt, dass viele bei besseren Arbeitsbedingungen in den Beruf zurückkommen oder ihre Arbeitszeiten aufstocken würden. «Es gibt ein großes Reservoir an Menschen, die sehr gerne in der Pflege arbeiten – aber nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen.»

Das gilt auch für andere Berufsgruppen. «Wir sind von Schichtbeginn bis Schichtende total durchgetaktet», berichtet Martin Baum vom Patiententransport. Auch in der Logistik und allen anderen Bereichen habe sich die Arbeit in den vergangenen Jahren massiv verdichtet. Das Gegenmittel ist für Baum und seine Kolleg*innen klar: «Mehr Personal!»

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