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Bitte mehr Prävention
Ulrike Wagener über die Reform des Sexualstrafrechts in Spanien
Es waren schockierende Bilder, die zu der Änderung des Sexualstrafrechts in Spanien geführt hatten. Eine Frau wurde von mehreren Männern vergewaltigt, das Ganze wurde auf Video festgehalten. Verurteilt wurden die Täter dennoch nicht: Die Frau habe sich nicht gewehrt. Nun gilt in Spanien »Nur Ja heißt Ja«, diese Tat wäre heute auch vor Gericht eine Vergewaltigung. Das ist ein guter Schritt, aber es ist trotzdem nur ein kleiner Schritt im Kampf gegen Vergewaltigungskultur und Täterschutz. Trotz dieser Reform wird es schwer bleiben, Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe zu ahnden, weil – anders als die spanischen Konservativen behaupten – die Unschuldsvermutung intakt und die Beweisführung nahezu unmöglich ist. Auch in Deutschland ist körperlicher Widerstand nicht mehr entscheidend für eine Vergewaltigung. Die Zahl der Verurteilungen in diesem Bereich bleibt verschwindend gering. Vor Gericht steht bei solchen Fällen meist Aussage gegen Aussage. Wie will ich beweisen, dass ich einer sexuellen Handlung nicht ausdrücklich zugestimmt habe?
Geht es um sexualisierte Gewalt – ob an Kindern oder Erwachsenen –, sind die Rufe nach härteren Strafen für die Täter nicht weit. Doch nur, solange man sie außerhalb der eigenen Bezugsgruppe wähnt. Geht es um den guten Kumpel, den Onkel, den Vater, den Kollegen oder den Bruder, setzt der Schutzreflex ein: Der doch nicht. Dabei kommt die Mehrheit der Täter aus dem Freundeskreis und der Familie. Deshalb müssen wir endlich dort ansetzen, wo es wehtut, Opfern zuhören und durch Prävention und Bildung eine Kultur herstellen, in der Konsens zur Normalität wird und Übergriffe nicht geduldet werden, egal wie mächtig der Täter sein mag. Dazu kann diese Strafrechtsreform einen Anstoß liefern. Die harte Arbeit muss anderswo erfolgen.
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