Nicht alle können aufgefangen werden

Berlins Finanzsenator Daniel Wesener will Schwerpunkte in der Krisenunterstützung setzen. Für die nahe Zukunft kündigt er harte Entscheidungen an

Für Berlins Finanzsenator könnten die Zeiten durchaus leichter sein. Von Krisen will Daniel Wesener trotzdem nichts hören – allerdings aus anderen Gründen, als sich vermuten ließe. »Krise, das suggeriert Ausnahme«, sagt der Grünen-Politiker am Mittwoch beim Wirtschaftspolitischen Frühstück der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK). Ob Pandemie oder Krieg in der Ukraine: »Krise ist etwas, das mittlerweile als Dauerzustand erscheint.« Vor den Vertreter*innen der Wirtschaft spricht Wesener stattdessen von einem »Syndrom« und von Lösungsansätzen, die niemals isoliert betrachtet werden dürften.

Glaubt man dem Finanzsenator, ist das Land Berlin überdurchschnittlich gut durch die Pandemie gekommen. Nicht nur, aber auch wegen inflationsgetriebener Steuermehreinnahmen konnte Wesener zudem jüngst einen Haushaltsüberschuss von 2,3 Milliarden Euro präsentieren. Und doch prognostiziert er: »Das wird im Jahresverlauf natürlich nicht so bleiben.« Gerade im Investitionsbereich müsse mit Stagnation gerechnet werden.

»Ich glaube, wir sind gut beraten, dieses Geld nicht jetzt schon zu verfrühstücken«, sagt Wesener dennoch. Nach wie vor habe Berlin ein »strukturelles Haushaltsproblem«, die Ausgaben würden durch die Einnahmen bei Weitem nicht gedeckt. Und nach den Haushaltsverhandlungen ist bei Wesener dann auch vor den Haushaltsverhandlungen: Mit Blick auf die Aufstellung des Doppelhaushalts 2024/2025 prophezeit er bereits jetzt, dass das nicht einfach werden wird.

Sorgen bereitet dem Finanzsenator auch die anstehende Volkszählung. Schon der vergangene Zensus habe für steuerliche Mindereinnahmen in Höhe von 470 Millionen Euro pro Jahr gesorgt. Bei Entlastungsversprechen mahnt der Finanzsenator dementsprechend zur Vernunft. In der Pandemie sei es noch gelungen, vieles abzufedern. »In der jetzigen Situation wird – ich glaube, so ehrlich muss man das formulieren – das so nicht gelingen.« Es gelte dementsprechend, Schwerpunkte zu setzen. Und harte Entscheidungen zu treffen. Mit erneuten Soforthilfen etwa sollten Unternehmen nicht rechnen.

Die Fragen von den Frühstückstischen drehen sich um die hohe Verschuldung des Landes und darum, gezielter diejenigen zu entlasten, die es auch brauchen. »Dass Leute wie ich einen Tankrabatt bekommen, das ist doch ein Witz«, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer und Moderator Jan Eder. Mit den Unternehmer*innen im Publikum verbinden ihn auch Befürchtungen, der erfolgreiche Volksentscheid »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« könnte umgesetzt werden. Schon jetzt, meint Eder, habe dieser ein schlechtes Signal für den Standort Berlin ausgesendet.

Wesener wiegelt ab: »Das ist eine Diskussion, die man aus Respekt vor dem Volksentscheid führen muss.« Ob die Vergesellschaftung finanzierbar sei, hänge vor allem davon ab, was die Kommission entscheide, die aktuell die juristischen Voraussetzungen hierfür prüfe. Eine Rücklage für mögliche Entschädigungssummen gebe es bisher nicht.

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